15. August 2013

Heimspiel für Dagmar Dusil in Hermannstadt

Rechtzeitig zur diesjährigen Bukarester Buchmesse Bookfest (29. Mai bis 2. Juni), deren Schwerpunkt der deutschsprachige Literaturraum war, erschien unter vielen anderen Übersetzungen auch die rumänische Fassung von Dagmar Dusils Blick zurück durchs Küchenfenster (Privind înapoi prin fereastra bucătăriei, Curtea Veche Publishing, Bukarest, 317 Seiten, Preis: 25 Lei), das voriges Jahr seine 9. deutsche Auflage erlebt hat.
Seinerzeit von Dagmar Dusil darauf angesprochen, ob ich Interesse daran hätte, ihr Buch ins Rumänische zu übersetzen, war ich eher skeptisch: Ich bin kein großer Kochbuchfan und auch keiner, der gerne viel Zeit in der Küche verbringt, koche nur einfache Sachen (in der Regel siebenbürgisch-sächsische Suppen – Lawend – und rumänische Ciorbăs, dazu noch den einen oder anderen Eintopf). Als ich aber dann in dem Buch schmökerte, war ich recht bald eingenommen davon und zudem überzeugt, dass die großzügige Mischung von Erinnerungen und Rezepten auch für das rumänische Publikum mehr als bloß interessant sein könnte. Also übersetzte ich das Buch, bat eine rumänische Freundin, Flori Bălănescu, das Manuskript doch mal durchzusehen, auch um die spezifische rumänische Koch-Terminologie zu überprüfen. Sie tat mehr als das und war selber so begeistert von dem Buch, dass sie das Manuskript an den Verlag Curtea Veche schickte und, nachdem es angenommen worden war, auch ein Nachwort zeichnete. Am 1. Juni wurde die druckfrische rumänische Fassung auf dem Bookfest im Beisein der Autorin und des Übersetzers von der Schriftstellerin Ioana Ieronim, der Verlagslektorin Stefania Nalbant und von Flori Bălănescu vorgestellt. Tags darauf sollte ich von Frau Nalbant erfahren, dass Privind înapoi … auf der Buchmesse unter den fünf bestverkauften Büchern des Verlags gewesen sei!
Dagmar Dusil in der Humanitas-Buchhandlung in ...
Dagmar Dusil in der Humanitas-Buchhandlung in Hermannstadt. Foto: Michael Astner
Am 12. Juli schließlich, wurde die rumänische Fassung auch in Hermannstadt vorgestellt. Den schicken Kellerraum der Humanitas-Buchhandlung in der Heltauergasse füllten Koch- und Literaturfreunde. Moderiert von Beatrice Ungar, sprachen zu dem Buch Vizebürgermeisterin Astrid Fodor und Ioana Ieronim, Dagmar Dusil las ein paar Passagen vor. Als Übersetzer übte ich Selbstkritik, indem ich bedauerte, diesmal zu sparsam mit den Fußnoten gewesen zu sein: wohl wissen die meisten (Alt)Hermannstädter, woher der Name der Lica-Schnitten stammt, aber für den Rest des Landes wäre es sicherlich gut gewesen, auf Karl Albrecht, den Gründer der „Lica“-Fabrik (1890) zu verweisen, die 1902 die erste Fabrik werden sollte, die hierzulande Waffeln herstellte.

Ihren Beitrag „Erinnerungen, kulinarisch gespickt“ (Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien vom 16. Juli 2013) über die Hermannstädter Buchvorstellung der rumänischen Fassung von Blick zurück durchs Küchenfenster der gebürtigen Hermannstädterin Dagmar Dusil beendet Hannelore Baier wie folgt: „Und letztlich wurden die Geschichten um die Rezepte herum sogar wichtiger“. Das stimmt und stimmt auch wieder nicht so ganz. Tatsache ist, dass Dagmar Dusils Rezepte und Erinnerungen einander irgendwie glücklich ergänzen und aufwerten und das Buch gleich für zwei Leserkategorien interessant werden lassen. Tatsache ist aber auch, dass die Buchhändler und Rezensenten gerade damit ein Problem haben: Erstere ordnen das Buch unter Kochliteratur ein, letztere unter Prosa. Das erfuhr ich von einer Freundin, die zufällig eine Vorstellung von Privind înapoi … im Ersten Rumänischen Fernsehen (TVR1) sah. Hauptsache ist, dass eine rumänische Fassung meines Erachtens notwendig war: Eine kleines, aber feines Mosaiksteinchen rumäniendeutscher Erinnerungskultur wurde damit auch dem rumänischen Publikum zugänglich, und mit Odo Marquard glaube auch ich: „Zukunft braucht Herkunft“!

Michael Astner

Schlagwörter: Hermannstadt, Lesung, Buchpräsentation

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