15. Juni 2013

Fotoausstellung der Brüder Fischer in Dinkelsbühl

Enormer Publikumsandrang herrschte am Pfingstsonntag um 18.00 Uhr im Kunstgewölbe in Dinkelsbühl. Gewiss in Erwartung der Finissage, auch in Vorfreude auf den von der Kirchengemeinde Michelsberg ausgerichteten Empfang, bei dem siebenbürgisch-sächsische Spezialitäten, Hanklich und Wein, kredenzt wurden. Unterschwellig aber sicher auch aus Schutzgründen, hatten doch erst kurz zuvor ergiebige Regengüsse die Kundgebung stark beeinträchtigt, fast fortgespült. Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster begrüßte die Gäste der Finissage, namentlich den Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul Jürgen Porr, und den Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius, ebenso Konrad Klein, der gemeinsam mit Christian Lindhorst für die Ausstellung und den Katalog verantwortlich zeichnet. Angesichts der bis ins Foyer gestauten Besuchermenge freute sich Schuster bei seiner Begrüßung über das so massiv demonstrierte Publikumsinteresse. Als weiterer prominenter Gast traf wenig später der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Christoph Bergner, MdB, in Begleitung seiner Gattin ein.
Dr. Stefan Cosoroabă, Referent für Institutionelle Kooperation der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien und Pfarrer in Michelsberg, hielt eine Ansprache zur Finissage der Fotoausstellung „Jenseits des Verschwindens“ aus dem Nachlass der Brüder Emil (1873-1965) und Josef Fischer (1898-1985). Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli, Stadtpfarrer von Bukarest, gab in seinem Grußwort einen Situationsbericht zur Lage der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Beide Redebeiträge, zunächst der von Dr. Stefan Cosoroabă, werden im Folgenden in gekürzter Form wiedergegeben.

Die Kraft von Kultur und Gemeinschaft

Die Brüder Fischer, deren aufgefundenen Nachlass wir mit der Ausstellung „Jenseits des Verschwindens“ würdigen, gehören mit zu der Identität der Siebenbürger Sachsen. Sie gehören zuallererst aus biografischen Gründen dazu. Viele von uns sind in das Atelier „Foto Fischer“ auf der Heltauergasse in Hermannstadt eingetreten. Mancher hat an einer Wand seiner Wohnung eine seiner Aufnahmen hängen oder aber im Regal ein Album von ihm stehen. Unser Leben ist damit irgendwie mit „Foto Fischer“ verwoben. Aber es gibt noch einen imagologischen Grund für die Identifikation der Siebenbürger Sachsen mit Emil und Josef Fischer. Die beiden haben sächsische Motive noch und noch aufgenommen. Kirchenburgen und deren Innenleben von Altären und Orgeln, sächsische Trachten und Dorffeste sowie Stationen im Lebenslauf und Bilder des Dorflebens wurden fast bis hin zum Kommerziellen abgelichtet, reproduziert und verkauft. Als die massive Aussiedlung der siebziger und achtziger Jahre begann, waren die Brüder genau die Richtigen für diese Marktnische. Jeder wollte doch etwas aus seinem Heimatdorf mit in die neue Welt mitnehmen!
Aufmerksam folgen der Einführung von Dr. Stefan ...
Aufmerksam folgen der Einführung von Dr. Stefan Cosoroabă (links) in der vorderen Reihe, von links: der stellvertretende Bundesvorsitzende Alfred Mrass, Konrad Klein, Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius, der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Christoph Bergner, und die stellvertretende Bundesvorsitzende Herta Daniel. Foto: Christian Schoger
Doch die Brüder Fischer waren etwas mehr als nur Porträtisten des sächsischen Lebens. Sie waren begnadete Bergfotografen. Sie haben die multikulturelle Welt ganz Rumäniens in ethnographischen Aufnahmen widerspiegelt; und sie waren Zeitzeugen von politischen, kulturellen und architektonischen Veränderungen in der Lebenswelt unseres Landes. Welches sind nun „echte“ Fischerbilder und welche sind nur Auftragsbilder? So genau wird man das nie trennen können und so bleibt für uns das Lebenswerk der Brüder Fischer ein vielschichtiges. Dieses ist auch in der Ausstellung „Jenseits des Verschwindens“ sichtbar, die auf einen Fund von 12000 Negativen im Areal des Pfarrhofes von Michelsberg fußt. Durch die freundliche Förderung der Edith-Haberland-Wagner Stiftung aus München war die Sichtung und Sicherung dieses Fundes möglich. Die Auswahl der Bilder sowie die Vorbereitung der Ausstellung und die Herausgabe des Kataloges übernahmen in dialektischer Zusammenarbeit der Kurator Christian Lindhorst und der Experte Konrad Klein. Ihnen sei Dank gesagt.

Nicht über den ästhetischen oder historischen Wert der Bilder will ich heute sprechen. Dazu hätten die eben genannten Fachleute eine weit größere Kompetenz. Ich will hingegen zurückkommen auf die Tatsache, dass Emil und Josef Fischer zu der Identität der Siebenbürger Sachsen organisch dazugehören. Und dieses tun sie, obwohl sie keine Siebenbürger Sachsen waren. Sie wurden jedoch durch die Kraft von Kultur und Gemeinschaft integriert, so dass man sich ein sächsisches Hermannstadt ohne sie gar nicht mehr vorstellen könnte. Als Söhne eines abenteuerlustigen deutsch-böhmischen Kapellmeisters, den es in die Reste des Osmanischen Reiches verschlagen hatte, wurde Emil 1873 im heute bulgarischen Plovdiv (damals Philippopol) geboren und Josef 1898 in Russe (damals Rustschuk). 1897 eröffnet der ältere Bruder sein erstes Atelier in Hermannstadt, zuerst am großen Ring und dann, 1900, in der Heltauergasse Nr. 5. Später, 1914, kommt Josef „Pepi“ Fischer auch nach Hermannstadt. Nach dem Studium an der Höheren Fachschule für Fototechnik wird er 1925 endgültig zum Hermannstädter, wo er bis an sein Lebensende, 1985, zu der Kultur und Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen dazugehören wird.

Dass Fremde zuerst zu Nachbarn, von Nachbarn zu Mitbürgern und krönend manchmal auch von Mitbürgern zu Trägern von Kultur und Gemeinschaft werden, zieht sich durch die ganze Geschichte hindurch. (…) Somit sind die Brüder Fischer keine Ausnahme. Immer schon wurden Menschen anderer Herkunft integriert; Einzelpersonen aber auch ganze Gruppen wie Landler oder Durlacher. „Siebenbürgisch-sächsisch“ war nicht immer eine ethnische Bezeichnung. Im Mittelalter bezeichnete sie einen Rechtsstand. Später wurde das Element der evangelischen Konfessionsgemeinschaft dominierend und erst spät, im 19. Jahrhundert, verstand man sich ethnisch. Inzwischen ist aber auch dieses Merkmal im Abklingen und die besondere kulturelle Gemeinschaft steht im Vordergrund. Aber gerade heute, in einer Zeit der Ausdünnung der Siebenbürger Sachsen in Rumänien (nicht in Europa!), sind solche Zuzüge und ist solche Integration notwendig. (…) Josef und Emil Fischer sind für uns heute darum ein Beispiel dafür, dass Integration möglich und gut ist. Sie sind ein Paradigma dafür, dass ehemalige Fremde siebenbürgisch-sächsische Kulturleistungen erbringen können. So wünsche ich uns allen, in Rumänien und in Deutschland, dass möglichst viele Fremde uns näher rücken und schließlich zu Trägern von Kultur und Gemeinschaft werden.

Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli zur Situation der Kirche

Es ist eine gute Gelegenheit, die heutige Lage der Kirche miteinander zu betrachten. Sie ist die einzige deutschsprachige Kirche in Rumänien. Ihre über 800-jährige Tradition und Geschichte hat sie zu einer etablierten Konfessionsgemeinschaft gemacht. Ihr gehören zurzeit ca. 13000 Gemeindeglieder an, die sich in etwa 240 Gemeinden und Betreuungspunkten finden. Betreut werden sie von über 40 Pfarrern und Pfarrerinnen, die sich alle sehr engagiert in das kirchliche Leben einbringen. Die Kirche hat vielfältige Aufgaben. Sie ist zuallererst bemüht, die Gemeinden und ihre Glieder geistlich zu versorgen. Dazu kommen eine intensive diakonische Betreuung sowie ein breites Engagement in kulturellen Tätigkeiten. Eine große Herausforderung ist derzeit die wirtschaftliche Nutzung des zum Teil rückerstatteten Eigentums, Immobilien, Grundstücke, Wälder usw. Eine große Last bleibt die Erhaltung und die Pflege des kulturellen Erbes (Kirchenburgen, Schulen, Pfarrhäuser, Orgeln etc.). Die Kirche wird von verschiedenen staatlichen Stellen und ökumenischen Partnern zwar wahrgenommen, trotzdem ist das Verhältnis zum Staat verbesserungsfähig und die Beziehungen zur Mehrheitskirche etwas distanziert, im Moment stagniert der ökumenische Dialog.

Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli Foto: Christian ...
Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli Foto: Christian Schoger
Gegenwärtig wird an einem Strategiepapier zur künftigen Gestalt des kirchlichen Lebens gearbeitet. Die Ausgangsfrage war, wie die Kirche im Jahr 2050 wohl aussehen wird. Der Titel dieses Konzepts ist bemerkenswert: Aus Glauben Leben in Gemeinschaft gestalten. Das Papier berücksichtigt noch zwei weitere großangelegte Studien, einmal eine soziologische Untersuchung, die von einem berühmten Umfrageinstitut durchgeführt wird, und die Analyse, die von Pfr. Dr. Stefan Cosoroabă erstellt wurde und sich auf die ehemaligen Mitglieder bezieht. Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (…) ist Teil der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa und setzt sich für konfessions- und grenzüberwindende Werte und Beziehungen ein. Sie will ihre Geschichte und Tradition bewahren und bekannt machen, gleichzeitig nach neuen Wegen in die Zukunft suchen.

Ein doppelter Anlass hat uns heute hierher geführt. Zunächst die Würdigung der langjährigen Zusammenarbeit unserer Kirche mit den vielen Partnern aus der Bundesrepublik. Zahlreiche Organisationen, Vereine, HOGs, Kirchengemeinden und andere Institutionen standen und stehen unserer Kirche mit konkreter Hilfestellung nahe. An der großen Glocke der Ev. Kirche in Bukarest steht Vereinte Kraft wirkt Großes! Von dieser Erfahrung, nämlich, dass gemeinschaftliche Hilfe Hervorragendes leistet, durften wir alle reichhaltig profitieren. Dahinter steht nicht nur die christliche Dimension der Nächstenliebe, sondern auch das Zugehörigkeitsgefühl. Wir gehören dazu, wie es im Motto des Heimattages heißt. Zusammengehörigkeit, welche trotz erheblicher Schwierigkeiten, unterschiedlicher Entwicklung und räumlicher Entfernung weiter gepflegt wird und Beachtliches leisten konnte. Dafür einen herzlichen Dank. Ein solcher Dank verpflichtet uns jedoch auch, er verpflichtet uns alle zur Weiterarbeit bei der Gestaltung, Erhaltung und nachhaltigen Nutzung unseres gemeinsamen historischen und kulturellen Erbes in Siebenbürgen. Dazu ruft uns auch der Heimattag auf.

Ein Zeugnis dieses großen Erbes ist auch die Ausstellung, die uns hier zusammengeführt hat. (…) Aus meiner Sicht werden wir eingeladen, ein siebenbürgisches Wunder zu betrachten. Denn es ist wahrlich ein Wunder, dass dieser Nachlass nicht verschollen ist und die Widerwärtigkeiten der Zeit überlebt hat. Es ist aber auch ein Wunder, dass er vor etlichen Jahren auf dem Dachboden des ev. Pfarrhauses in Michelsberg aufgefunden wurde. (…) Die zahlreichen Fotos sind bleibende Dokumente siebenbürgisch-sächsischer und rumänischer Kulturgeschichte. Sie sind der sichtbare Beweis einer in Kunst umgewandelten Kulturreise, zu der diese Ausstellung einladen und anregen will. Abschließend gebührt ein herzlicher Dank dem Initiator dieser Finissage, Dr. Stefan Cosoroabă, sowie den Vertretern der ev. Kirchengemeinde Michelsberg, die diese Ausstellung und Begegnung so wunderbar gestaltet und möglich gemacht haben.

Schlagwörter: Heimattag 2013, Ausstellung, Kirche und Heimat, Fotografie, Hermannstadt

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