9. März 2012

Zum Tod der Germanistin Dr. Hilde-Marianne Paulini

Dr. Hilde-Marianne Paulini verstarb am 26. November 2011 im Alter von 88 Jahren in Wolfsburg. Die am 8. Dezember 1922 in Großschenk geborene Germanistin lehrte an der Universität in Jassy in den Fächern Phonetik und rumäniendeutsche Literatur.
Von Großschenk in die moldauische Hauptstadt Jassy war es ein langer Weg. Bevor er seinen ­Abschluss fand, hatte die junge Hilde-Marianne Paulini einiges durchzustehen. Nach dem Schulbesuch in Großschenk war sie an der Mädchenhandelsschule in Hermannstadt, danach an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Mediasch. Als Büroschreibkraft und Dolmetscherin arbeitete sie bis zum Kriegsende. Im Januar 1945 gehörte Paulini zu den Jugendlichen, die „zur Aufbauarbeit“ in die Sowjetunion deportiert wur­den. Sie kam mit ihren Leidensgenossen ins Lager 12-16 in Lisitschansk im Donezbecken, wo in den Kohlengruben Mühsal und Bedrohungen warteten, 1947 auch eine lebensgefährliche Krankheit. Über das ausgedünnte Essen, die har­te Arbeit, die Hungersnot des Winters 1947/48 hat die spätere Germanistin im Heimatbuch „Großschenk in Siebenbürgen“ berichtet.

Erst 1949 kehrte Paulini nach Siebenbürgen zurück und war dort als Bürokraft bis 1962 tätig, als sie das Abitur am Abendgymnasium bestand, um danach in Bukarest Germanistik und Rumänistik zu studieren. 1967 empfahl sie der Bukarester Lehrstuhlinhaber Jean Livescu an seine erste Doktorandin Hertha Perez nach Jassy. Dort wurde sie als Wissenschaftliche Assistentin eingestellt, 1972 zum Doktorat zugelassen und blieb danach als Universitätslektorin (Dozentin) bis zu ihrer Pensionierung in der Moldau. Nach 1945 war Paulini die zweite Siebenbürgerin, die am Germanistiklehrstuhl in Jassy eingestellt wurde. Neben Sprachübungen wandte sich Paulini zunächst der angewandten Phonetik zu, später versuchte sie sich an deutscher Literatur in Rumänien, für die ihr großes Vorbild der Literaturhistoriker Karl Kurt Klein blieb, der bis 1939 in Jassy gelehrt hatte. Mit der Lehrstuhlinhaberin Hertha Perez entstand 1973 ein Abriss der deutschen Literaturgeschichte, der für die Studierenden des Zweitfachs Deutsch gedacht war. Obwohl Hilde-Marianne Paulini 1968 mit einem Referat über den Bukarester Germanisten Simeon Mândrescu in Erscheinung getreten war, galt ihr Hauptaugenmerk der Lehre. Sie engagierte sich für ihre Studenten und stellte diesen eine Reihe von Unterrichtshilfen für den Phonetikunterricht, die Vorlesung über rumäniendeutsche Literatur und für deutsche Literaturgeschichte zur Verfügung. Bis zu ihrem Abgang aus Jassy wurden diese Materialien verwendet. In der deutschen Presse Rumäniens warb Paulini gelegentlich für den Studienstandort Jassy.

Außer der Lehrtätigkeit, die ihr am Herzen lag, veranstaltete sie in Jassy literarische Abende über Kittner, Sperber, Wittstock und andere und versuchte, die Studenten zur Beschäftigung mit Autoren aus Rumänien anzuregen.

Die Promotionsschrift von Hilde-Marianne Paulini blieb ihr Stolz, denn sie wurde im Peter-Lang-Verlag publiziert. Auch heute noch kann man online zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeit über August Wilhelm Schlegel, die sie beim Erdbeben 1977, das die Studentinnen des Heims, in dem auch die Doktorandin wohnte, miterlebten, als einzigen „Wert“ gerettet hatte, für Haus- und Magisterarbeiten genutzt wird.

Als Rentnerin lebte Paulini ab 1994 in der Bundesrepublik Deutschland zurückgezogen. Die zahlreichen ehemaligen Studenten, ebenso ihre früheren Kollegen werden die bescheidene und unermüdliche Lehrerin immer in dankbarer Erinnerung behalten. Mit Hilde-Marianne Paulini ist eine pflichtbewusste Hochschullehrerin, die im rumänischen Altreich den Deutschunterricht gefördert hat, still und unauffällig von der Bühne abgetreten, wie sie seinerzeit 1980 Jassy ebenso unauffällig verlassen hatte, allerdings weniger endgültig.

Horst Fassel

Schlagwörter: Nachruf, Germanistik, Großschenk

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