14. Dezember 2011

Gedächtnis der Nation: Zeitzeugenarchiv im Internet

Am 17. November berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) unter dem Titel „Im Schlamassel der Erinnerung“ von einer öffentlichen Diskussion der Autorinnen Herta Müller und Ruth Klüger über Formen des Gedenkens und Erinnerns.
Das Thema sei „fraglos drängend“, so die FAZ, „und es führt in den kommenden Jahren kein Weg an der Diskussion vorbei, wie Deutschland mit seiner Erinnerungskultur [...] umgeht, wenn mit dem Tod der Zeitzeugen Erinnerung nur noch aus zweiter und dritter Hand stammt“. Dieses Problem kennen Historiker ebenso wie das Mädchen von nebenan, das die Großmutter irgendwann nicht mehr fragen kann: „Du, Omi, wie war das damals?“ Obwohl die Berichte von Zeitzeugen nicht immer historisch korrekt sind, weil manches im Nachhinein verklärt wird, und vor allem, weil das Gedächtnis selektiv erinnert, ist die „Oral History“ doch ein wichtiger Bestandteil der Forschung.

Einen Beitrag zur Bewahrung der Erinnerungen will das Projekt „Gedächtnis der Nation“ leisten, das seit dem 6. Oktober 2011 unter www.gedaechtnis-der-nation.de online ist – ein Zeitzeugenarchiv mit Schwerpunkt auf der Geschichte Deutschlands nach 1945. Zeitgleich mit der Internetseite startete der „Jahrhundertbus“ seine Tour durch Deutschland: ein mobiles Fernsehstudio, in dem Redakteure, die speziell für diese Aufgabe geschult wurden, Interviews mit Zeitzeugen führen.

Initiatoren des Projekts sind Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der stern-Chefredaktion, und Guido Knopp, Leiter der ZDF-Redaktion Geschichte, die bereits 2006 mit der Arbeit an diesem besonderen Archiv begannen. 2010 wurde ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Mainz gegründet, Träger des Projekts mit Redaktionsteam und hochkarätig besetztem Wissenschaftlichem Beirat sowie Kuratorium. Die Schirmherrschaft hat Bundespräsident Christian Wulff übernommen. Als Vorbild diente die Mitte der 90er Jahre gegründete „Shoah Foundation“ des amerikanischen Regisseurs Steven Spielberg, der Erinnerungen von Überlebenden des Holocaust aufgezeichnet und verfügbar gemacht hat. Spielbergs Datenbank gilt heute als eines der größten digitalen Videoarchive der Welt.

Der Internetseite www.gedaechtnis-der-nation.de ist der Mitmach-Kanal „Unsere Geschichte“ bei YouTube angegliedert (www.youtube.com/unseregeschichte), der dazu dient, eigene Zeitzeugeninterviews zur Verfügung zu stellen. So kann jeder seine eigene Geschichte, die der Eltern, Großeltern, Freunde, Nachbarn etc. zu einem Teil des großen Ganzen machen, zu einem Steinchen im großen Mosaik „Geschichte Deutschlands“. Zu dieser Geschichte gehören auch die Siebenbürger Sachsen, die das Projekt „Gedächtnis der Nation“ nutzen sollten, um ihre Geschichten zu erzählen: von Flucht und Deportation, dem Leben als Deutsche in einem anderen Land, Ausreise und Eingliederung – auch das ist deutsche Geschichte.

dr

Schlagwörter: Zeitzeugenberichte, Internet, Deutschland

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