8. Februar 2011

Leitfaden für die Renovierung von Kirchen und Kirchenburgen in Siebenbürgen

Die Renovierung der Kirche in Großscheuern war eines der Themen bei der Fachtagung „Was geschieht mit dem Kulturerbe der Siebenbürger Sachsen“ vom 10. bis 12. Dezember 2010 in Bad Kissingen. Angelehnt an ihren Vortrag in Bad Kissingen fasst die Architektin Waltraut Eberle im Folgenden ihre Erkenntnisse in einem Leitfaden zusammen, um diesen allen Interessierten, die dem Beispiel der HOG Großscheuern folgen möchten, an die Hand zu geben.
Die Kirche in Großscheuern – Eigentümer ist laut Grundbuchauszug „Biserica Evanghelică Luterană din Șura Mare“ – steht wie die meisten der evangelischen Kirchen in Siebenbürgen unter Denkmalschutz. Seit geraumer Zeit war sie erheblich in ihrem Bestand gefährdet, das Dach war undicht, der Sockelbereich der Wände war feucht, darüber hinaus drohten Putzteile herabzustürzen. Kurzum, es musste gehandelt werden. Die so häufig gestellte Frage „Für wen sollen wir die Kirche erhalten?“ stellte sich für die HOG-Mitglieder Großscheuern nicht. Beispielhaft hat die HOG Großscheuern unter dem Vorsitz von Stefan Groß und Christian Fuss zusätzlich zu den an ihrer Heimatkirche schon im Juni/Juli 2009 verbauten 11.000 Euro (Reparatur der Dachflächen Hauptschiff Nordseite, Sakristei, Seitenschiff Nordseite und Südseite) weitere Spendengelder gesammelt, um die Kirchenrenovierung auszuweiten und zu vervollständigen.

Die Bauarbeiten haben nach einer sechsmonatigen Vorbereitungsphase, in der die Baugenehmigung eingeholt, ein Bauunternehmer gesucht und beauftragt wurde, Mitte Juli 2010 begonnen und waren Mitte November 2010 abgeschlossen. In 6.500 Stunden wurde in Handarbeit die Kirche hergerichtet: unter anderem wurden neun Tonnen Sumpfkalk, vier Tonnen Trasszement verbaut, 6.700 Ziegel ersetzt.

Sämtliche Ziegel von den Dachflächen – Hauptschiff Südseite, Chor, Turm – wurden umgedeckt bzw. ersetzt, Entwässerungsrinnen wurden angebracht, ein Strebepfeiler wurde gegen weiteres Absinken gesichert, Fehlstellen im Mauerwerk wurden beseitigt, der gesamte Putz entfernt und durch neuen vierlagigen Kalkputz ersetzt, sämtliche Wände wurden mit Kalkfarbe gestrichen, die Turmuhr wurde repariert.

Die Bauarbeiten sind nach allen Regeln der Baukunst durchgeführt worden. Für die Zusammensetzung des Kalkputzes hat man die bei der Renovierung des Schlosses Herrenchiemsee verwendete Formel angewandt, Baumaterialien wie Trasszement und Thermonal, die in Rumänien nicht erhältlich sind, wurden aus Deutschland gebracht. Vor Ort waren alte Biberschwanzziegel noch auffindbar, die als Ersatz für die schadhaften vorhandenen Ziegel verwendet wurden. Am Chor mussten beispielsweise sämtliche Ziegel ersetzt werden.

Ausgenommen von weiteren Maßnahmen, wie Anlegen eines Kiessplittstreifens um die Kirche, Anstrich der Türen, gegebenenfalls Reparatur der Fenster, die im Frühjahr nächsten Jahres angegangen werden können, ist die Renovierung der Kirche im Außenbereich abgeschlossen. Für die nächsten 25 Jahre ist dann der einwandfreie Bauzustand der Kirche in Großscheuern sichergestellt.
Zustand nach Beendigung der Dachdeckung und vor ...
Zustand nach Beendigung der Dachdeckung und vor Beginn der Verputzarbeiten. Foto: Ioan Lavrincik
Die ausgeführten Renovierungsarbeiten an der Kirche in Großscheuern waren, verglichen mit den Arbeiten, die im Rahmen des vom Projektbüro Leitstelle Kirchenburgen entwickelten „Dächerprogramms” ausgeführt werden, sehr umfangreich. Deshalb lagen die Baukosten weit über denen jener 19 Kirchen, die in den Jahren 2007 bis 2010 im Rahmen des Dächerprogramms verbaut wurden (1.200 bis 11.000 Euro je Kirche (siehe Webseite: www.projekt-kirchenburgen.ro). Die 2010 ausgeführte Renovierung an der Kirche Großscheuern hat zusätzlich zu den oben schon erwähnten 11.000 Euro weitere Kosten (Baukosten und Baunebenkosten) von rund 43.000 Euro verursacht.

Gesammelte Spenden werden dem Bauherrn – im Falle Großscheuerns war es das Bezirkskonsistorium Hermannstadt – zur Verfügung gestellt, der dann mit Baufortschritt die Gelder an den Bauunternehmer weiterleitet. Das Landeskonsistorium ist von der HOG über die geplante Maßnahme in Kenntnis zu setzen.

Genehmigung der Baumaßnahme durch die Behörden

Bevor mit der Baumaßnahme begonnen werden darf, ist bei dem Bürgermeisteramt der zuständigen Gemeinde die Ausstellung eines Zertifikats („Certificat de Urbanism“) zu beantragen. Der Antrag (der Vordruck hierfür ist im Internet abrufbar) ist von dem Vertreter des Bauherrn (des zuständigen Bezirkskonsistoriums im Falle einer Diaspora-Gemeinde oder der Kirchengemeinde, sofern diese als solche noch besteht) zu unterzeichnen. Alle Anträge müssen von einem Architekten gestellt werden.

Als Anlage zum Antrag sind beizufügen: eine Beschreibung der beabsichtigten Baumaßnahmen; die aktuellen Grundbuchauszüge; ein Lageplan des Grundstücks samt der darauf stehenden Kirche; ein Lageplan der näheren Umgebung, sodass die Lage des Grundstücks im Zusammenhang des Ortes erkennbar wird. Der Lageplan des Grundstücks muss von einem Vermessungsingenieur erstellt werden; der Lageplan der näheren Umgebung ist in der Regel bei dem Katasteramt als Kopie erhältlich. Beide Lagepläne müssen zunächst bei dem Katasteramt eingereicht werden, von dem deren Richtigkeit bestätigt wird.
Zustand kurz vor Beendigung der Renovierung. ...
Zustand kurz vor Beendigung der Renovierung. Foto: Ioan Lavrincik
Im ausgestellten Zertifikat „Certificat de Urbanism“ ist von der ausstellenden Behörde vermerkt, welche zusätzlichen Dokumente eingereicht werden müssen, um die Baugenehmigung zu erhalten. In der Regel sind es die Pläne der Kirche, eine Bescheinigung („aviz“) der Regionalkommission für Denkmalpflege, eine Bescheinigung des Umweltamtes.

Die Regionalkommission für Denkmalpflege tagt monatlich und stellt die Bescheinigung zur späteren Vorlage bei dem Bürgermeisteramt aus mit der Auflage, dass, sofern der Verputz erneuert wird, Putzproben vorgelegt werden müssen. Bei statischen Eingriffen, etwa in die Konstruktion des Dachstuhls, bei Abgrabungen bis zum Fundament, ist zusätzlich der Nachweis eines Statikers vorzulegen.

Von Bauunternehmern mit entsprechenden Erfahrungen auf dem Gebiet der Renovierung von denkmalgeschützten Gebäuden sind Angebote einzuholen, der geeignete Bauunternehmer ist durch den Bauherrn zu beauftragen. Es ist sinnvoll, dass zwischen dem Bauherrn und der HOG eine schriftliche Vereinbarung getroffen wird, in der die Übernahme der Kosten durch die HOG erklärt wird. Auch sind hierin die Pflichten des Bauherrn festzuhalten.

Entscheidend ist für das Gelingen der Baumaßnahme die enge Zusammenarbeit mit der HOG, die als der Geldgeber selbst Entscheidungen herbeiführt. Bekanntlich verfügt die Leitstelle Kirchenburgen nicht über das notwen­dige Kapital, um aus eigener Kraft die Kirchenburgen zu sichern, oder sogar zu renovieren. Auch sind die Zeiten, da das Landeskonsistorium der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien aufgrund der Anzahl der Gemeindemitglieder über finanzielle Mittel verfügte, um eine Bauhütte für die Instandhaltung der Kirchen vorhalten zu können, längst vorbei. Der Lösungsansatz „Hilfeleistung durch die HOG“ hat sich wie bei der Kirche Großscheuern zweifelsfrei als optimal erwiesen.

Waltraut Eberle

Schlagwörter: Kirchen, Kirchenburgen, Großscheuern, Restaurierung, Architektur

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Neueste Kommentare

  • 08.02.2011, 09:13 Uhr von walter-georg: Es ist immer anerkennungs-, ja bewundernswert, wenn die HOG verschiedener Gemeinden es fertig ... [weiter]

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