31. Januar 2011

Trutzige Kirchen und mächtige Türme, Teil 2

Die Serie mit Fotos aus Siebenbürgen von Friedrich Schuster wird fortgesetzt mit Kleinschenk und Schönberg. Teil 1 wurde in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 19. Januar 2011 veröffentlicht.
„Ihr habt Riesen zurückgelassen. In jeder Gemeinde steht einer. Wehe, wenn die zu weinen beginnen, denn ihre Tränen sind aus Stein.“ Gedanken, die wie ein Vorwurf auftauchen. Diesmal wurden sie von einem jungen Mann ausgesprochen, dem ich in Jakobsdorf im Harbachtal begegnete. „Auch Ruinen haben eine Berechtigung, sie gehören Völkern an, die einst hier lebten …“ Ich versuchte eine Antwort zu formulieren.

Sicher, einige der schweigsamen Burgen und Kirchen werden im Laufe der Zeit verfallen, andere werden abgetragen und geschleift. 1988 stand ich in Windau auf dem Platz der einstigen evangelischen Kirche und suchte nach ihr. Wut und Schmerz packten mich, als ich am Bach daneben die behauenen Steine des abgetragenen Gebäudes entdeckte. Doch dies ist das Spiel der Geschichte. Wer heute durch Siebenbürgen fährt, bekommt einiges davon mit, und wenn er sich der Riesen im Tal und am Berg annimmt, bemerkt er bald, dass die alten Damen und Herren ihm manchmal zuzwinkern.
Kleinschenk. Saalkirche von 1421. Die Jahreszahl ...
Kleinschenk. Saalkirche von 1421. Die Jahreszahl steht an der Südwand des Glockenturms, der einen auf Hängeböcken vorgekragten Wehrgang besitzt. Die hohen Ringmauern, im Südwestabschnitt verdoppelt, werden von vier dreigeschossigen Türmen mit steilen Pyramidenhelmen verstärkt. Foto: Friedrich Schuster
In dieser Ausgabe bringen wir Fotos von den Kirchenburgen in Kleinschenk (siehe Titelbild der Folge 2/2011, der Ort wurde 1337 zum ersten Mal in Urkunden erwähnt) und Schönberg (1280). Beide Ortschaften gehörten dem Schenker Stuhl an. Kleinschenk liegt am rechten Ufer des Altflusses und hat 25 Sachsen, die der Frecker Pfarrer Gerhard Kenst betreut. Im vergangenen August veranstalteten sie einen Tag der offenen Tür in ihrer Burg, der wider Erwarten ein Erfolg wurde. Im Haus Nr. 178, einem mächtigen Bauernhaus, kam der Schriftsteller Andreas Birkner (1911-1998) zur Welt, ein herausragender sächsischer Erzähler. 1958 wurde er verhaftet und im Schriftstellerprozess zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach seiner Entlassung 1964 wanderte er nach Deutschland aus. Viele seiner Dorfgenossen folgten ihm. Im mittlerweise renovierten Geburtshaus wohnen Verwandte des Schriftstellers der „Aurikeln“ (Erzählungen, Bukarest 1959) und der „Tatarenpredigt“ (Roman, München 1973), die den Namen Theil tragen.
Schönberg. Die gotische Hallenkirche wurde im 15. ...
Schönberg. Die gotische Hallenkirche wurde im 15.-16. Jahrhundert errichtet (Teile des Vorgängerbaus, einer dreischiffigen romanischen Basilika, vorhanden). Sie erhielt einen über zwanzig Meter hohen Glockenturm im Westen und einen Wehrturm im Osten. Die Ringmauern wurden mit vier vorspringenden Ecktürmen versehen. Foto: Friedrich Schuster
Schönberg liegt an dem weiter nördlich fließenden Altbach, der in den Harbach mündet. Die Kirchenburg des Dorfes wird von den 15 evangelischen Gemeindemitgliedern besorgt, die sich in der Obhut des Agnethler Pfarrers Reinhard Boltres befinden. In den Sommermonaten betreibt hier die Bukarester Architekturhochschule „Ion Mincu“ eine Lehrwerkstätte für Restauratoren. Auf dem Pfarrhof, der sich hinter der Burg ausbreitet, verbrachten ihre Kinder- und Jugendjahre der bekannte Sprach- und Märchenforscher Adolf Schullerus (1864- 1928), der Maler Fritz Schullerus (1866-1898) und die Schriftstellerin Anna Schuller-Schullerus (1869-1951), allesamt Geschwister. Von dem regen Dorfleben wurden sie alle drei beeinflusst.

Die beiden Kirchenburgen in Kleinschenk und Schönberg gehören zu den 18 Denkmälern Siebenbürgens, die innerhalb eines groß angelegten Projektes des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche renoviert werden sollen. Die ersten Sanierungsarbeiten sollen schon in diesem Jahr beginnen.

Schlagwörter: Siebenbürgen, Kirchenburgen, Kirchen, Fotografie

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