23. Januar 2011

Kirchenburgen und Dorfkirchen erhalten - Konzept von Dr. Hermann Fabini

Mit aktuellen Problemen der Bewahrung unseres Kulturerbes in Siebenbürgen hat sich eine Fachtagung vom 10. bis 12. Dezember 2010 in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen auseinandergesetzt (siehe Bericht "Fachtagung zu Perspektiven des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes"). Der in Hermannstadt lebende Architekt und Denkmalschützer Dr. Hermann Fabini plädierte in seinem Vortrag dafür, Kirchenburgen touristisch nutzbar machen. Zur Erhaltung des Kulturerbes in Siebenbürgen könnten auch die Heimatortsgemeinschaften einen wichtigen Beitrag leisten, führt der Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2007 im Folgenden aus. Sein Konzept fügt sich in eine Reihe von vorangegangenen Initiativen auf diesem Feld, einschließlich der vom Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat seit Jahrzehnten geförderten und verwirklichten Aktivitäten bzw. Projekte, wie die „Dokumentation siebenbürgisch-sächsischer Kulturgüter“ in den 90er Jahren.
Nach über vier Jahrzehnten denkmalpflegerischer Arbeit in Siebenbürgen, auch an zahlreichen Kirchenburgen, sehe ich die sicherste Grundlage für deren Erhalt und Verwaltung in der Tätigkeit der Heimatortsgemeinschaften (HOGs) – den ehemaligen Besitzern dieser Bauwerke. Ausgehend von siebenbürgisch-sächsischer Geschichte und Kulturgeschichte möchte ich hier darlegen, was in der aktuellen Situation dafür spricht und wie dieses Engagement erweitert werden kann durch verstärkte Vernetzung und Zusammenarbeit mit Partnern in Siebenbürgen.

Wenn die siebenbürgische Kulturlandschaft von zahlreichen Außenstehenden als eine Landschaft mit besonderer Ausstrahlung und relativ gut erhaltener mittelalterlicher Originalsubstanz gepriesen wird, so liegt das - aus meiner Sicht - in nur geringem Maß an den geographischen Gegebenheiten, viel mehr aber an der siebenbürgischen Geschichte und den sozialen Strukturen, die zum Entstehen dieser Baudenkmäler geführt haben.

In Bezug auf die Kirchenburgen sind zwei Gegebenheiten zu erkennen, die den Erhalt dieser Wehrbauten bedingt haben. Einerseits waren es die bescheidenen materiellen Verhältnisse, die es erforderlich machten, dass z. B. jedes kleinste Werkstück auf seine Wiederverwendbarkeit geprüft wurde. Andererseits war es die emotionale Bindung der Dorfbewohner an diese architektonischen Darstellungen ihres Gemeinwesens, die ihren Abriss nach dem Verschwinden ihrer Wehrfunktion verhindert hat.

Wenn wir die Entwicklung im 20. Jahrhundert verfolgen, müssen wir feststellen, dass während der 75 Jahre der beiden Weltkriege und des Kalten Krieges (1914-1989) die sächsischen Dorfgemeinschaften, die Träger und Bauherren der Kirchenburgen, fast zur Gänze verschwunden sind. Unabhängig davon, welche Kräfte diesen Prozess bestimmt haben, muss das Resultat zur Kenntnis genommen werden. Aus der denkmalpflegerischen Erfahrung weiß man, dass Nutzung und Instandhaltung der Baudenkmäler von existentieller Bedeutung für ihren Erhalt sind (Charta von Venedig 1964, Art. 5, gesellschaftliche Nutzung von Denkmälern). Diese Anforderungen können nur in Zusammenarbeit mit den heutigen Bewohnern der ehemals sächsischen Dörfer umgesetzt werden.

Sehen wir uns diese Bewohner der Dörfer etwas genauer an. Ihre Zusammensetzung ist unterschiedlich und hängt in einem gewissen Maße von der Entfernung des jeweiligen Dorfes zur Stadt oder zu einem Industriezentrum ab. In stadtnahen Dörfern besteht eine meist rumänische Altbevölkerung, die in den letzten Jahrzehnten durch zahlreiche, aus anderen Teilen des Landes zugereiste Personen wesentlich vergrößert wurde. Zugezogene Neureiche haben oft nur ein geringes Verständnis für historische Denkmäler und die gewachsene Dorfstruktur. In vielen abgelegenen Dörfern wie z. B. im oberen Harbachtal oder im Repser Ländchen überwiegt der Anteil von Roma; die rumänische Bevölkerung kann in einem solchen Dorf zur Minderheit werden.

Wichtig für die Beurteilung des Verhältnisses der örtlichen Bevölkerung zu der historischen Architektur ist ihre materielle Lage, die vor allem von den Verdienstmöglichkeiten vor Ort bestimmt wird. Auch diesbezüglich gibt es das Gefälle von stadtnahen zu abgelegenen Ortschaften. In letzteren findet man oft wirtschaftliche Unterentwicklung und bedrückende Armut.
Hermann Fabini: Isometrie von Wurmloch ...
Hermann Fabini: Isometrie von Wurmloch
Grundsätzlich ist für den Erhalt eines Baudenkmals ein Bauherr nötig, der gewillt ist, diesen Erhalt durch Instandhaltung und entsprechende bauliche Maßnahmen zu gewährleisten. Die Kirchenburgen sind nach traditionellem Recht Eigentum der Dorfgemeinschaften und sind dementsprechend in den Grundbüchern eingetragen. Nach der Auflösung der Dorfgemeinschaften als Rechtspersonen wurde und wird das Eigentumsrecht, entsprechend den diesbezüglichen Regelungen der Evangelischen Kirche in Rumänien, auf das Landeskonsistorium übertragen. Angesichts der vielfältigen Aufgaben, die die Kirchenleitung hat, unter Berücksichtigung ihrer personellen Besetzung und ihrer administrativen Möglichkeiten kann den Anforderungen an einen kompetenten und engagierten Bauherrn vom Landeskonsistorium in den meisten Fällen nicht entsprochen werden. So hat die Kirchenleitung in der Vergangenheit immer wieder versucht, Kirchenburgen an andere Institutionen bzw. Bauherren zu übergeben, die Interesse an ihnen bekundet haben und gewillt waren, zu ihrem Erhalt beizutragen, um sie für ihre Zwecke zu nutzen (z. B. Kelling, Schönberg, Radeln und Jakobsdorf).

Hinsichtlich der erwähnten gefühlsmäßigen Bindung der Dorfgemeinschaften an ihre Baudenkmäler können die Heimatortsgemeinschaften in Deutschland am ehesten im Sinne dieser Bindung wirken und somit Aufgaben einer Bauherrschaft in ihren Heimatgemeinden übernehmen.

Die neuen Gegebenheiten infolge des Beitrittes Rumäniens zur EU, heutige Möglichkeiten der Kommunikation und Information und das wirtschaftliche Gefälle zum ländlichen Bereich in Rumänien sind Voraussetzungen, die eine solche Aufgabenstellung zunehmend realistisch erscheinen lassen. Grundvoraussetzung bleibt die Identifikation der nachrückenden Generationen der alten sächsischen Dorfgemeinschaften mit dem Erbe in Siebenbürgen und ihr Wille, zum Erhalt dieses Erbes beizutragen. In einer Zeit, in der angesichts von Globalisierung und der damit verbundenen Verunsicherung des Einzelnen die Suche nach regionaler Identität weltweit zunimmt, leisten die Heimatortsgemeinschaften einen sinnstiftenden Beitrag.

Mit örtlicher Bevölkerung kooperieren

Es hat in der Vergangenheit immer wieder Initiativen seitens der HOGs zu Wiederherstellungsarbeiten an Kirchenburgen gegeben. Es sei hier stellvertretend auf die Vorhaben der HOG in Bulkesch (2006-2008) und Großscheuern (2010) hingewiesen. Vielerorts haben die HOGs bei der Einrichtung von Gästezimmern in Pfarrhäusern mitgewirkt und waren in der Pflege der Friedhöfe aktiv (Beispiel Großalisch). Angesichts der Vielfalt der Aufgaben, der großen Anzahl von Heimatortsgemeinschaften und ihrer zunehmenden Bedeutung im Sinne der oben skizzierten Anforderungen erscheint es angebracht, eine Publikation ins Auge zu fassen, die Initiativen, praktische Hinweise und beispielhafte Umsetzungen bekannt macht.

Nochmals sei hier erwähnt, dass die Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung eine der Grundvoraussetzungen für den Erhalt der Kirchenburgen ist. In diesem Sinn sollte eine Verbindung von der HOG zu einer Personengruppe oder einer einzelnen Person vor Ort aufgebaut werden, die es ermöglicht, Informationen direkt und rasch zu erhalten, aber auch Hilfeleistungen effizient und zielgerecht zu überbringen. In diesem Zusammenhang muss auf die Bedeutung des Burghüters oder des Verwalters der Kirchenburg hingewiesen werden. Durch den Verkauf von Eintrittskarten kann dem Burghüter in vielen Fällen ein Gehalt gesichert werden. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, ihm durch touristisches Werbematerial, wie Postkarten, Denkmalführer, touristische Karten, die er an Touristen verkauft, zu einem beachtlichen Nebenverdienst zu verhelfen. Zudem kann es hilfreich sein, wenn die HOG über ein Haus im Dorf verfügt. Da bietet sich zuerst das Pfarrhaus an, das als Gästehaus ein Anlaufpunkt für Mitglieder der HOG sein kann. Aber auch andere Häuser, die sich als Gästehäuser eignen, können dazu dienen, die Verbindung der HOG-Mitglieder zur Heimatgemeinde zu festigen.

Es ist wünschenswert, dass der Verband aller siebenbürgisch-sächsischen HOGs ein Logo – mein Vorschlag: „Heimat Siebenbürgen“ - und insbesondere einen ansprechend gestalteten Internetauftritt besitzt. Auf dieser Webseite, in der alle beigetretenen HOGs vorgestellt werden, können Kontaktmöglichkeiten in Deutschland und in Rumänien sowie Hinweise auf die einzelnen Webseiten der betreffenden HOGs erscheinen. Außerdem sollten aktuelle Probleme von allgemeinem Interesse für die HOGs vorgestellt und kommentiert werden.

Durch ein alle zwei Monate erscheinendes Informationsblatt kann eine Plattform geschaffen werden, über die Informationen über Eigentums- und Baurecht, über die Kommunikation mit den Dorfbewohnern vor Ort, über Modellfälle von Herrichten, Restaurieren und der Nutzung von Immobilien bekannt gemacht werden. Das Informationsblatt könnte allen Mitgliedern des HOG-Verbands und Abonnenten zugeschickt werden. Hinsichtlich der Drucksachen bietet sich die Kooperation mit einem Verlag und einer Druckerei aus Rumänien an. Gegenwärtig ist der Vertrieb von Drucksachen aus Rumänien preisgünstiger als aus Deutschland.

Im Vorwort zum Buch „Die Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen“ habe ich darauf hingewiesen, dass eine strikt wissenschaftliche, kunsthistorische Erfassung dieser Baudenkmäler der Faszination, die sie auch heute noch ausüben, nicht gerecht wird, da es sich bei diesen Denkmälern im europäischen Vergleich um eher provinzielle osteuropäische Leistungen handelt. Es ist vielmehr eine existentielle Dimension, die ihre besondere Ausstrahlung ausmacht - sie können als ein Spiegel der jahrhundertealten Kultur ihrer Erbauer, der sächsischen Dorfgemeinschaften in Siebenbürgen betrachtet werden.

Es hat in der Vergangenheit wiederholte Ansätze gegeben, die Kirchenburgen in eine bestimmte Rangordnung - sei es nach ihrem historischen oder ästhetischen Wert oder nach ihrem baulichen Zustand - einzuordnen, mit dem Zweck, die für ihre Instandhaltung bzw. Restaurierung geplanten Mittel möglichst sinnvoll einzusetzen. Aus dem hier skizzierten Blickwinkel muss der Existenz einer Trägerschaft, gebildet aus früheren und heutigen Bewohnern der Dörfer, Vorrang vor technischen, finanziellen oder ästhetischen Kriterien gegeben werden. Grundvoraussetzung für den weiteren Bestand einer Kirchenburg ist das Vorhandensein eines Bauherrn mit Vertretern vor Ort, der sich mit dem Baudenkmal identifiziert und sich wie in den vergangenen Jahrhunderten für sein Fortbestehen einsetzt. Die Heimatortsgemeinschaften sind berufen, nach bestem Wissen und Gewissen zum Erhalt ihrer jeweiligen Kirche oder Kirchenburg beizutragen.

Hermann Fabini

Schlagwörter: Kirchenburgen, Kirchen, Siebenbürgen, Heimatortsgemeinschaft, Kulturerbe

Bewerten:

36 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.