23. Mai 2007

"Solidarisch unter uns Deutschen": Aussiedlerkulturtage 2007 in Nürnberg

Im Gemeindesaal von „Maria am Hauch“ erreichte am 6. Mai die Aussiedlerparty bei bester Bewirtung (auch die Sathmarer Schwaben unter der Leitung von Anna Steinbinder und Oberwischauer sind richtige Experten, wenn es um Krautwickler und beste Kuchen geht) und vertrautem Gesang in deutscher und ungarischer Sprache einen unvergesslichen Höhepunkt.
Nach einem von Pfarrer Anton Schatz gehaltenen ökumenischen Gottesdienst in hochfestlichem Rahmen – der geräumige Kirchenraum platzte förmlich aus allen Nähten, die mehr als 50 Trachtenträger (Banater und Sathmarer Schwaben, Oberschlesier, Oberwischauer und Siebenbürger Sachsen) konnten bewundert werden – konnte das Fest so richtig starten mit Sektempfang und einem Trachtenaufmarsch und zwei wertvollen Ausstellungen (Rückblick auf das Aufnahmelager Friedland in den 50er und 60er Jahren durch die Zeitzeugin Adelheid Zogel und auf die Betreuung von katholischen Christen in den letzten Jahren in Sibirien und Kasachstan durch Pater Alois Parg, beide eingeführt durch Olga Vetter und Lydia Pasternak, die die Ausstellungen im Haus der Heimat erstellt haben). Stadtrat Franz Gebhardt und Horst Göbbel hatten vorher den Beitrag der Aussiedler im wirtschaftlichen, sozialen und besonders im kulturellen Leben der Stadt gewürdigt und allen Aktiven besonderen Dank für ihr gemeinnütziges Tun ausgesprochen.

Aussiedlerkulturtage 2007 auf dem Gelände der Kirche Maria am Hauch in Nürnberg.
Aussiedlerkulturtage 2007 auf dem Gelände der Kirche Maria am Hauch in Nürnberg.

Zu Beginn der Aussiedlerkulturtage 2007, die vom 4. bis 6. Mai unter der Schirmherrschaft des Nürnberger Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Maly stattfanden, freitags im Haus der Heimat, betonte Horst Göbbel als dessen Vorsitzender in seiner Einführung in den „klassischen“ Kulturteil die Notwendigkeit des Ausbaus interkultureller Verständigung und Begegnung im langwierigen, kontinuierlichen Prozess der Integration.

Vor und nach der Begrüßung der Ehrengäste – dabei waren heuer Dr. Christoph Bergner, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, sowie OB-Vertreter Bürgermeister Horst Förther – bezauberten uns musikalisch auch durch die hohe Qualität ihrer Darbietungen zunächst die Sprachschüler des Hauses der Heimat Jakov Volftsun (Trompete) und Inna Stambulska (Klavier) mit Tschaikowskis „Neapolitanischem Tanz“ und einer Szene aus Bizets „Carmen“ und später ganz vortrefflich Marion Enachescu (Violine) und Lydia Hammerbacher (Klavier) mit Dmitri Kabalewskys Violinkonzert in C-Dur (Allegro molto e con brio) und Johannes Brahms Sonate in c-Moll (Scherzo). Die 17-jährige Marion Enachescu, Enkelin der ehrenamtlichen Aussiedlerbetreuerin Sigrid Sighisoran, ist im siebenbürgischen Neumarkt am Mieresch geboren, wohnt in Nürnberg und besucht das Christian-Ernst-Gymnasium in Erlangen. Mit Lydia erreichte sie heuer bei „Jugend musiziert“ regional den 1. und landesweit den 3. Platz. Als weiterer Höhepunkt entpuppte sich die Aufführung des Stückes „Der steinige Weg zum Anderen“ – Eine russisch-deutsche Geschichte von Lev Protalin, präsentiert vom russisch-deutschen Theater „Brücken“ e.V. aus Erlangen.

Der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung Dr. Christoph Bergner während seiner Ansprache in Nürnberg.
Der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung Dr. Christoph Bergner während seiner Ansprache in Nürnberg.
Dr. Christoph Bergner, Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung, stellte seinem Grußwort ein Zitat aus der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung voran: „Die Kultur der aus ihrer Heimat Vertriebenen und aus den Herkunftsgebieten der Aussiedler ist Bestandteil der ganzen deutschen Kultur, die wir pflegen und erhalten wollen.“ Bergner versicherte den Zuhörern, wie wichtig auch aus der Sicht der Bundesregierung „Arbeit ist, wie sie hier im Haus der Heimat geleistet wird. Arbeit, die den Ausgangspunkt im Kern in der Aussiedler- und Vertriebenenarbeit hat und damit Kriegsfolgenbewältigung betreibt. Was auch heißt, dass wir unter uns Deutschen, die vom 2. Weltkrieg und ihrem Schicksal unterschiedlich betroffen waren, solidarisch sein wollen.“ Aus dieser Solidarität erwachse aber auch die Verantwortung, Brücken in Europa zu bauen und die Erfahrungen der Aussiedler im Rahmen der Integrationsarbeit auch an andere Zuwanderergruppen weiterzugeben. Dafür sei das Haus der Heimat Richtung weisend, wofür er dankte und weiterhin Erfolg wünschte.

Bürgermeister Förther traf die Stimmung des Abends, als er verkündete: „Sie zeigen, wie lebendig diese Kultur ist!“ Über seiner ganzen Rede stand sein anfangs erwähnter Spruch, der im Opernhaus von Palermo zu sehen ist: „Kunst erweckt den Menschen und zeigt sein Leben“. Der anschließende Sekt-Empfang bot Gelegenheiten, uns auch mit unseren Ehrengästen auszutauschen und eine Bilderausstellung junger Künstler aus dem Bereich der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland anzusehen.

Freitags, samstags und sonntags gaben uns neben Dr. Christoph Bergner und Bürgermeister Förther u. a. die Ehre: Bürgermeister Dr. Clemens Gsell, CSU-Generalsekretär Dr. Markus Söder (MdL), mehrere Stadträtinnen und Stadträte wie Helmine Buchsbaum, Rita Heinemann, Jutta Bär, Prof. Dr. Hartmut Beck (CSU), Gabriela Heinrich und Anita Wojchiechowski (SPD), der Aussiedlerbeauftragte der Stadt Nürnberg Wolfgang Lang, außerdem Dr. Stefan Schweiger von der FDP Nürnberg, Werner Henning, Vorsitzender des BdV Nürnberg und der UDV, zahlreiche Vorsitzende und Kulturreferenten der im Haus der Heimat aktiven Landsmannschaften und Kulturvereine.

Doris Walter, Russlanddeutsche und im Jahr 2007 Vorsitzende des Aussiedlerbeirates, erörterte in ihren Begrüßungsworten im Großen Saal des Gemeinschaftshauses Langwasser beim Bunten Nachmittag Aspekte wie historisches Herkommen, Sitten und Bräuche von Aussiedlern, deren leidvolle Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie deren große, unverzichtbare Leistungen in der hiesigen Gesellschaft, ihr Bekenntnis zur alten und zur neuen Heimat, ihre „bikulturelle Identität als Herausforderung und Chance“, um zusammenfassend festzuhalten: „Unsere Herkunft ist zwar unterschiedlich, unsere Zukunft jedoch gemeinsam.“ Bürgermeister Horst Förther, der den erkrankten Oberbürgermeister Dr. Maly sowohl am Freitag als auch am Samstag mit bemerkenswerten Grußworten vertrat, hielt treffend fest: „Integration ist kein Selbstläufer, sie ist eine Daueraufgabe“ und in diesem Prozess spiele das Haus der Heimat mit seiner Brückenfunktion eine eminente Rolle. Seine Erfolge „tun dem Stadtteil gut, der Stadt, den Aussiedlern.“ LM-Mitglied Dr. Markus Söder (MdL) lobte das Engagement der Aussiedler und des Hauses der Heimat, besonders dessen Integrationsarbeit. Bürgermeister Dr. Klemens Gsell erwähnte die hohe Qualität der Auftritte der Kinder, die mit Herzblut dabei seien, nannte die Aussiedler einen wichtigen Bestandteil unserer Stadtkultur.

Im Kulturteil wurden unterschiedliche musikalische und tänzerische Einlagen geboten. Die musikalische Einstimmung besorgte in bewährter hoher Qualität die Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg e.V. unter der Leitung von Richard Taub und Hans Welther. Es traten anschließend zusammen mit Banater Schwaben, Oberasbacher Tänzern und Russlanddeutschen aus dem siebenbürgisch-sächsischen Bereich folgende Gruppen auf: die Kindertanzgruppe und die Volkstanzgruppe Herzogenaurach (Leitung: Gerhard Berner, Reinhold Burkart und Katharina Fuss), unser Fürther Chor, geleitet von Reinhold Schneider. Durch das Programm führte Sandra Hirsch. Zum Abschluss gab es wieder einen gemeinsamen Volkstanz, die Gesamtkoordination der Kulturtage besorgte mit viel Engagement und sichtlichem Spaß an der Freude Doris Hutter. Lieben Dank, Doris. Mit seinem breiten Angebot an Tanz, Musik, Theater und Ausstellungen boten auch die Aussiedlerkulturtage 2007 ein feines Beispiel gelebten Gemeinsinns.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Nürnberg, Kulturspiegel, Integration

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