11. Juli 2008

Alfred Orendt: Geistig regsam bis ins hohe biblische Alter

Mit Dipl.-Ing. Alfred Orendt (geboren am 24. Mai 1909 in Kronstadt, gestorben am 29. Juni 2008 in München) hat der Verband der Siebenbürger Sachsen nicht nur einen exzellenten Baufachmann, sondern auch einen äußerst liebenswerten Menschen von besonderer personeller Prägung verloren. Die zahlreichen Trauergäste, die dem Verstorbenen am Münchner Waldfriedhof das letzte Geleit gaben, ließen erahnen, wie groß der Bekannten- und Freundeskreis dieses ausgesprochen musisch veranlagten Menschen war.
Seinen Beruf als Architekt hatte er – über das rein Handwerklich-Technische hinaus – immer als Bau-„kunst“ verstanden und ihn damit einem Bereich zugeordnet, in dem sich Natur- und Geisteswissenschaften berühren. Orendts vorzügliche zeichnerische Begabung kam dieser Intention besonders zustatten.

Unsere Freundschaft wurde in Kronstadt noch in früher Jugendzeit begründet. Ich war 15 Jahre alt und hatte seit einigen Jahren Cellounterricht, als mich „Orendt Eee“ – dies war sein Rufname, unter dem er bis in das hohe Lebensalter allgemein bekannt war – aufforderte, mit ihm als begeistertem Bratscher ein Streichquartett zu gründen; bereits hier sollte sich sein ausgeprägter Hang zur Geselligkeit erweisen, eine Eigenschaft, die wohl nicht unwesentlich zu seiner allgemeinen Beliebtheit beigetragen hat.

Alfred Orendt an seinem 99. Geburtstag. ...
Alfred Orendt an seinem 99. Geburtstag.
Durch Studium und Kriegsjahre bedingt, trennten sich alsbald unsere Lebenswege. Ich erfuhr nur, dass Orendt in München Architektur studiert und anschließend in Kronstadt ein Architekturbüro gegründet hatte, mit dem er Aufträge der Kronstädter Industrie-Prominenz sowie des städtischen Bauamtes ausführte. Nach Ableistung der Militärdienstpflicht bei den rumänischen Gebirgsjägern kam er zur „Organisation Todt“, wo er als planender und bauleitender Ingenieur Großaufträge in Bulgarien, Mazedonien, Österreich und Ungarn zu verantworten hatte. Bei Kriegsende gerieten wir beide in amerikanische Gefangenschaft, aus der wir im Mai 1945 nach München entlassen wurden.

Über den schweren beruflichen Anfang in der zerbombten Stadt berichtet Orendt in einer persönlichen Lebensskizze: „Hier lag alles in Trümmern. Vom Nullpunkt, nur in der alten Uniform und mit Rucksack, begann ein neues Leben: Zwei Monate als Maurer und Zimmermann, um als Schwerarbeiter bevorzugte Lebensmittelmarken zu erhalten, dann Lizenz für einen Bauhandwerkerbetrieb. Arbeit gab’s genug, doch kein Material und keine Fachkräfte ... Trotz enormer Schwierigkeiten wuchs die Firma bis auf 75 Mitarbeiter, mit denen nun größere Arbeiten ausgeführt werden konnten, wie die Instandsetzung von Woolworth und der BMW-Fabrikshallen in Karlsfeld.“

Anfang der fünfziger Jahre lernte Orendt die Diplom-Architektin Ilse Schwind kennen und heiratete sie. Der Ehe enstammen drei Söhne, denen er ein guter Vater war.

Mit seiner Frau Ilse wurde ein gemeinsames Planungsbüro gegründet, das zunächst Arbeiten für den Sozialen Wohungsbau übernahm, bald aber auch größere Aufträge für gewerbliche Bauten und Heime erhielt. Ein ganz besonderes Denkmal hat sich die Firma Orendt 1958 mit dem Erneuerungsbau des Siebenbürgerheimes in Rimsting am Chiemsee gesetzt, gefolgt vom großen Neubau und dem 2002 fertiggestellten Pflegeneubau; dieser Letztere wurde noch nach dem Konzept von Alfred Orendt geplant, stammt in der Durchführung aber von seinem Sohn Christian, der damit in die Fußstapfen des Vaters getreten war.

In München, wo sich unsere Wege erneut berührt hatten, kamen wir mit Eee wieder öfter zusammen: bei Veranstaltungen der Landsmannschaft, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte, oder bei den Kronstädter Honterusfesten; aber auch im privaten Bereich gab es manche Berührungspunkte und Gelegenheiten zum gemeinsamen Musizieren, u.a. wenn es galt, Geburtstage zu feiern. Hierfür war sein in Garatshausen am Starnberger See erworbenes und ausgebautes „Kutscherhaus“ ein geradezu idealer Veranstaltungsort. In wenigen Jahren hatte er sich durch verschiedenste, aus Ruinen und abgerissenen Altbauten angesammelte Bauteile ein zünftiges Wochenendhaus zusammengezimmert – das meiste in eigener Handarbeit. Noch nach seinem 90. Geburtstag sah man Alfred Orendt des Öfteren auf dem Dach seiner „Datscha“ herumgeistern, um etwa undichte Stellen oder Ähnliches zu reparieren.

Wer traf sich hier? Es waren größtenteils Verwandte und Freunde aus der alten Heimat; den „harten Kern“ bildeten aber zweifellos die Mitglieder seiner zahlreichen Stammtische. Dazu gehörten der so genannte „Seewaldt-Stammtisch“ sowie die Runde der „Alten Knaben“, die er vor dreißig Jahren, zusammen mit seinem Freund Volkmar Fromm und den Kronstädter Berufskollegen Zeidner, Lassel, Chrestel und Schiel ins Leben gerufen hatte, aber auch die Mitglieder des „Bauernstammtisch“ von St. Anna. Mit diesen hatte er noch vor kurzem in Garatshausen seinen 99. Geburtstag gefeiert.

Garatshausen war auch der Ort, wo manche von Eees Gelegenheitsgedichten zum ersten Mal vorgetragen wurden. Das Dichten war ihm in den letzten Jahren zu einem echten Bedürfnis geworden, und er nützte diese poetische Form, um sich seiner Umwelt mitzuteilen. Die jeweiligen Anlässe wie Geburtstage oder Jubiläen waren oft nur „Aufhänger“, um Gedanken, die ihn bewegten, weiterzugeben. Es waren oft sehr geistreiche Einfälle oder Ideen mit philosophischem oder religösem Bezug; dann gab es aber auch wieder witzige Anmerkungen, wie sie seinem besonderen Sinn für Humor entsprachen. Dass ihm diese geistige Regsamkeit bis ins hohe biblische Alter erhalten blieb, war ein besonderes Geschenk – für die Familie wie für seine Freunde.

Es ist nicht leicht, eine Persönlichkeit von so vielseitigem Wesen, wie Alfred Orendt sie verkörperte, in Worten zu beschreiben. Sicher ist hier die Würdigung seiner beruflichen Erfolge zu kurz gekommen – sie könnte aber auch nur von qualifizierter Seite getätigt werden. Sinn dieser Zeilen war es, den Menschen Orendt Eee so zu schildern, wie wir ihn kennen und schätzen gelernt haben. Er wird in unserer Erinnerung als ein äußerst liebenswerter, stets hilfsbereiter Mensch und in seiner geistigen Rüstigkeit als ein besonderes Phänomen weiterleben!

Adolf Hartmut Gärtner

Schlagwörter: Nachruf, Architekt, Kronstadt, München

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