14. August 2001

Harald Gehrig

"Zuhören, verstehen, zusammenführen, Impulse geben, Menschen und Dinge bewegen." Herzlichkeit bestimmte seine diplomatische Mission. Gespräch mit dem scheidenden Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, Harald Gehrig.
Er war der erste diplomatische Vertreter der Bundesrepublik seit 1990 in Hermannstadt, dem der Lokalrat den Titel eines Ehrenbürgers der Stadt verlieh. Ihm, dem Generalkonsul Harald Gehrig, wurde nach seiner gut dreijährigen Amtszeit zudem eine weitere Ehre zuteil. Von dem scheidenden Diplomaten verabschiedete sich erstmalig die Stadt über ihren Bürgermeister Klaus Johannis - und nicht umgekehrt - mit einem großen Empfang im Salon des "Römischen Kaisers", kurz darauf gab sich im Bischofspalais das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien aus gleichem Anlass die Ehre. Sichtlich gerührt verließ Gehrig, der vorher im Jemen und in Japan tätig gewesen war, seinen Posten in Hermannstadt. In Berlin wird er vorerst in der Protokollabteilung des Außenamts arbeiten. Am Vortag seiner Abreise, zwischen Koffern und Akten, gewährte er unserem Hermannstädter Mitarbeiter Martin Ohnweiler folgendes Interview:
Herr Generalkonsul, Sie hatten mit Sicherheit keine leichte Mission in Siebenbürgen. Trotzdem: Fällt Ihnen nun der Abschied schwer?

Ja. Siebenbürgen war für mich nicht nur ein diplomatischer Posten. Es ist für mich und meine Familie eine Art Heimat geworden. Unsere Kinder haben teils die Hälfte bzw. den größten Teil ihres Lebens in Hermannstadt verbracht, hier Kindergarten und deutsche Schule besucht. Viele Projekte und Aktivitäten konnten während meiner Amtszeit ins Leben gerufen, angepackt bzw. weitergeführt werden. Sich nun von dieser Fülle beruflicher und privater Kontakte sowie von Freundschaften loszureißen, fällt in der Tat schwer. Aber andererseits: Das Feld ist gut bestellt. Siebenbürgen, speziell Hermannstadt, sind nunmehr Schwerpunktregionen unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Rumänien. Siehe etwa das GTZ-Projekt zur Sanierung der historischen Altstadt von Hermannstadt, ein Modell-Projekt übrigens, von dem vielfältige Impulse ausgehen. Ferner das Projekt der Kreditanstalt für Wiederaufbau und Rehabilitierung von Kläranlagen, Wasser- und Abwassernetz im Kreis. Kulturell ist sodann die Bundesrepublik Deutschland präsent wie nie zuvor etwa durch die vom Institut für Auslandsbeziehungen, das vom Auswärtigen Amt ja voll finanziert wird, entsandten Ansprechpartner, die bei den Zentren bzw. Foren der deutschen Minderheit arbeiten und sie zugleich unterstützen. Die Kontakte im universitären Bereich sind ebenfalls exzellent. Ich erinnere nur an die Wahl des Vizepräsidenten der deutschen Rektorenkonferenz, Prof. Schaal, zum Präsidenten der hiesigen Lucian-Blaga-Universiät, ferner an die erfolgreiche Gründung der privaten deutsch-rumänischen Universität in Hermannstadt, an die Pläne zur Einrichtung eines Schulungszentrums für betriebswirtschaftliche Studien oder die jüngst erfolgte Einrichtung einer praxisorientierten betriebswirtschaftlichen Ausbildung an der hiesigen deutsch-rumänischen Stiftung. Es besteht überdies die Hoffnung, dass demnächst ein in Deutschland voll anerkanntes Abitur auch in Hermannstadt abgelegt werden kann. Immerhin gibt es ja in der Stadt am Zibin landesweit die größte Anzahl an deutschsprachigen Schulen und Schülern. Mit Hilfe des Integrierten Beratungsdienst (IBD) Bukarest, mit dem wir gleichfalls exzellent zusammenarbeiten, konnte sodann im Bereich der Wirtschaftsförderung die hiesige Konsumgütermesse ‚Exposib' auf ein für deutsche Regionalmessen durchaus vergleichbares Niveau gehoben werden. Siebenbürgen wird übrigens immer mehr Anziehungspunkt für deutsche Unternehmer, die sich gerade in der Anfangsphase vielfach vom Generalkonsulat beraten lassen. Der "Deutsche Wirtschaftsklub Siebenbürgen", den ich gründen und leiten durfte, ist innerhalb von drei Jahren von zirka 20 auf in Kürze 60 Mitglieder angewachsen.

Dennoch: Womit haben Sie keinesfalls gerechnet, als Sie "mit der Wärme aus dem Jemen und der Kultur aus Japan", wie das Bürgermeister Johannis beim Abschiedsempfang sagte, an den Zibin kamen. Und was hat Sie am meisten beeindruckt?

Beeindruckt haben mich die Geschichte und die kulturellen Leistungen der Rumäniendeutschen, die rumänische Gastfreundschaft und gelegentlich Raffinesse im Sinne einer feinen geistigen Kultur, die man bei der rumänischen geistigen Elite immer wieder antrifft. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte: Ein gleichzeitig so zivilisiertes und reiches, aber dann doch auch armes Land da anzutreffen.

Was hat Sie bewogen, über Ihre eigentlichen Amtspflichten hinaus in Hermannstadt und Siebenbürgen so viel mehr zu bewegen, als das allgemein üblich ist?

Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten. Ich denke aber, dass die Herzlichkeit, mit der ich hier aufgenommen wurde, sicherlich eine starke Motivation hierfür war. Aber auch meine eigene familiäre Geschichte hat dazu beigetragen. Meine Mutter ist eine Sudetendeutsche, so dass auch ein innerer Bezug zu den so genannten Auslanddeutschen oder den deutschen Minderheiten in Osteuropa von vorne herein da mitgewirkt hat, um all das anzupacken, wovon ich vorhin sprach.

Worauf sind Sie dabei am meisten stolz? Und: Was hätten Sie gerne noch bewirkt in dieser Ihrer gut dreijährigen Amtszeit am Zibin?

Von Stolz kann man eigentlich nicht reden. Ich habe lediglich das Gefühl, dass ich so viel getan habe, wie ich in dieser kurzen Zeit eben tun konnte. Aber was davon bleibt, sind, hoffentlich, das Projekt zur Altstadtsanierung, ferner die von mir gelegten Grundlagen im wirtschaftlichen Bereich und nicht zuletzt das äußere Erscheinungsbild des Generalkonsulats, das wir wesentlich verbessert haben mit der Einrichtung einer neuen Visa-Stelle. Das war, ich sag es ganz offen, ein harter Kampf mit dem Auswärtigen Amt, das sich aber letztlich einsichtig und großzügig zeigte. Der Hintergrund war ja eigentlich die Schließung unserer diplomatischen Vertretung in Temeswar, wir, in Hermannstadt, erwarteten daher einen großen Ansturm von Antragstellern, was aber so dann doch nicht eingetroffen ist. Die Schließung erfolgte nicht, jedoch es folgte bald darauf die Diskussion um die schnelle und kurzfristige Aufhebung der Visapflicht. Dennoch haben wir unsere neue Visa-Stelle eröffnet, und dies ist mithin ein Zeichen dafür, dass wir die Rumänen als Bürger und Menschen ernst nehmen und ihnen bis zur Aufhebung der Visapflicht den bestmöglichen Service bieten wollen.

War es schwierig, sich in diesem Raum als Diplomat zu behaupten?

Ja und nein. Ja insofern, weil es doch eine große Raum- und Zeiteinteilung für uns hier als die einzige Auslandsvertretung weit und breit gibt. Daher befinden wir uns als Generalkonsulat praktisch auf dem Präsentierteller, mehr noch: In einem Aquarium, das von allen Seiten betrachtet wird. Das war aber andererseits durchaus eine Herausforderung für mich. Und, zurückkommend auf die Frage: Nein insofern, weil auch Vieles einem sehr leicht gemacht wurde durch das Entgegenkommen, das wir hier erfahren, durch die Deutschfreundlichkeit, die einfach vorhanden ist, wie auch durch die deutsche Minderheit selbst. Ich denke aber, es wäre auch sehr schön, in Zukunft stärker noch mit der französischen Seite zusammenzuarbeiten. Die Franzosen werden ja traditionell aus rumänischer Sicht als sehr engen Freunde und Ansprechpartner angesehen, es sind ja auch beides romanische Länder. Aber beide Länder, Frankreich wie Deutschland, sind aus rumänischer Sicht auch so etwas wie das revolving door für den Beitritt zur Europäischen Union. Von daher wäre für diese Region eine engere Zusammenarbeit in bestimmten Projekten mit der französischen Seite nur zu begrüßen.

Apropos deutsche Minderheit: Beim Empfang des Bürgermeisters spielten sie auf "Gesprächen im Verborgenen" vor allem mit den Entscheidungsträgern dieser Minderheit an. Würden Sie uns Einiges davon verraten?

Bitte, verstehen Sie mich, dass ich auch jetzt nicht unbedingt aus dem Nähkästchen plaudern will. Aber es ist, wie ich das auch schon bei der Verabschiedung durch Bischof D. Dr. Christoph Klein zum Ausdruck gebracht habe, ganz selbstverständlich, dass man als Angehöriger einer Auslandsvertretung sehr viele Gespräche führt, die nicht in coram publico erfolgen, also sehr viele Hintergrundgespräche, wobei man Informationen und Eindrücke weitergibt. Und es war immer mein Anliegen, zu informieren und vor allen Dingen den Grauschleier des Nichtwissens und gewisser Vorurteile, die in Deutschland gegenüber Rumänien bestehen, etwas zu lichten. Das war mit den Gesprächen im Verborgenen gemeint, und ich freue mich natürlich sehr, dass inzwischen vielleicht auch deswegen sich ein ganz klein bisschen das Stimmungsbild in Deutschland gegenüber Rumänien aufzuhellen scheint.

Und wie ist es für Sie, das Stimmungsbild, wie sehen Sie die Lage und Zukunft der heute doch sehr kleinen deutschen Minderheit in Rumänien?

Ich denke, dass die Zukunft dieser kleinen deutschen Minderheit sich daraus bestimmt, was sie tut, wie sie es tut und vor allen Dingen, wie es ihre Vertreter tun, nämlich: Sich zu implizieren in den Aufbau der rumänischen Gesellschaft, von Demokratie und Marktwirtschaft, durch ihren fachlichen Rat und politischen Beistand. Andererseits sollte es ihr dann und durch diese Aktivitäten gelingen, sich als wahre Brücke darzustellen, als jemand, der sowohl für die deutsche Seite ein sehr nützliches und hilfreiches Element der Beziehungen zu Rumänien bildet und desgleichen natürlich für die rumänische Seite. Wenn dies auf beiden Seiten so gesehen wird, ist mir um diese kleine deutsche Minderheit in ihrer politischen Existenz in keiner Weise bange.

Was würden sie daher der deutschen Seite bei Ihrer Rückkehr noch empfehlen im Hinblick auf die Zukunft der deutschen Minderheit?

Ich würde nicht von einer Empfehlung sprechen, denn ich gehöre ja der deutschen Seite an. Aber ich denke, dass es in den letzten Jahren bewusster geworden ist, dass im Vergleich zu anderen, zum Teil großen bzw. größeren Ländern Osteuropas hier, in Rumänien, noch ein wirklich lebendiger Kern einer aktiven deutschen Minderheit besteht. Ein Kern, der sich einbringt und demnach gefördert und, so gut es geht, auch weiterhin lebensfähig gehalten werden sollte, unabhängig von der physischen Größe, also von der Zahl der Deutschen, die hier noch leben.

Und was würden Sie nichtsdestoweniger Ihrem Nachfolger im Amt empfehlen?

Zuhören, verstehen, zusammenführen, Impulse geben, Menschen und Dinge bewegen.

Herr Generalkonsul Gehrig, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Politik

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