11. Oktober 2004

Interview mit Rainer Lehni: Diese Themen bewegen die Jugend

Von Februar bis Oktober 2004 ist es der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) gelungen, die Zahl der eingetragenen Mitglieder von 44 auf 102 und somit um mehr als 100% zu steigern. Neue Mitglieder zu gewinnen und die richtige Mischung zwischen Tradition und Freizeit zu finden sind nur zwei der Themen, die die Nachwuchsorganisation der Landsmannschaft bewegen. Rainer Lehni wird beim Jungsachsentag der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) am 24. Oktober in Landshut nach drei Jahren Amtszeit erneut als Bundesjugendleiter kandidieren.
Am 13. Juli 1972 in Zeiden geboren, siedelte er 1989 zusammen mit seiner Familie nach Bayern aus. Seit 1991 in Baden-Württemberg lebend, leistet er seit 1993 aktiv Jugendarbeit, seit letztem Jahr auch als stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft. Der gelernte Kaufmann arbeitet zurzeit in einer Großhandelsfirma, wo er für Speditionsaufträge und Export zuständig ist. Das Gespräch führte Alexander Di Leonardo.



SJD-Bundesjugendleiter Rainer Lehni beim Oktoberfestzug in München, September 2001.
SJD-Bundesjugendleiter Rainer Lehni beim Oktoberfestzug in München, September 2001.
Sie waren einige Jahre lang Pressereferent der Bundesjugendleitung, bevor Sie 2001 Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) wurden. Wie sah die Ausgangslage vor drei Jahren aus?

Als ich das Amt übernahm, kriselte es ein bisschen in der SJD. Es wurden nur die nötigsten Veranstaltungen durchgeführt, und wir standen vor der Wahl, die Jugendarbeit auf Bundesebene den Bach runterlaufen zu lassen oder wieder ein bisschen Schwung in die Sache zu bringen. Das haben wir nach Kräften versucht. In Dinkelsbühl tragen die jungen Leute Jahr für Jahr maßgeblich zum Gelingen des Heimattag bei. Diese und andere Veranstaltungen erreichen mittlerweile ein relativ hohes Niveau, auch was die Teilnehmerzahl betrifft. Wenn man einen Blick in den Terminkalender der SJD wirft, kann man locker zweimal im Monat auf eine Bundes- oder Landesveranstaltung gehen.

Welche Prioritäten haben Sie in der Jugendarbeit gesetzt?

Ein großes Vorhaben stellte die Umstellung der Mitgliedschaft dar, die 2001 auf dem Jungsachsentag, dem Verbandstag der Jugend, beschlossen wurde. Die technischen Umsetzungsschwierigkeiten zu Beginn haben wir jedoch mit Hilfe der Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft gelöst. Zudem haben wir unser Programmangebot stetig ausgebaut. Neben den jährlich stattfindenden Volkstanzseminaren und -wettbewerben bieten wir jeden Sommer eine Freizeit an. Dieses Jahr die Segeltour in Holland, letztes Jahr war es ein sehr gelungenes Freizeitwochenende im Odenwald. Wir organisierten ein Weinseminar im Rheingau und im Februar 2005 wird zum dritten Mal eine Skifreizeit stattfinden.

Sind das Neuerungen, oder gab es ähnliche Aktivitäten schon vor 2001?

Neu sind das Landeskunde- und andere Seminare, die Freizeitwochenenden und Skitreffen sowie das Kletterwochenende im Donautal, in Zusammenarbeit mit der Adonis Gruppe der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins. Dieses Jahr findet ein Siebenbürgisches Schlachtfest statt, dessen Umsetzung gar nicht so einfach war. Ich bin mal gespannt, wie das ankommt. Nächstes Jahr ist eine Fahrradtour durch Rheinhessen geplant. Neu ist also die Mischung zwischen Traditionellem und Freizeitangeboten. Nur so können wir die Leute erreichen. Ein reines Volkstanzseminar wird jemanden, der an so etwas nicht interessiert ist, auch nicht reizen.

Welche Zielgruppe sprechen Sie mit der neuen SJD-Mitgliedschaft an?

Alle Siebenbürger Sachsen, die jünger als 27 Jahre sind. Aber auch Nichtsiebenbürger, die sich mit unseren Zielen identifizieren können.

Welche Vorteile bietet die neue Form der Mitgliedschaft?

Durch den bewussten Beitritt zur Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend wird das Zugehörigkeitsgefühl gefördert. SJD-Mitglieder werden direkt zu allen Veranstaltungen eingeladen, so dass ein Informationsfluss auch bei nichtorganisierten Jugendlichen gewährleistet ist. Hauptanreiz ist der Preisnachlass, den SJD-Mitglieder bei Veranstaltungen erhalten. Außerdem wird die Mitgliederverwaltung enorm erleichtert.

Wie erklären Sie aber die Tatsache, dass bisher nur rund 100 Jugendliche SJD-Mitglieder geworden sind?

Es ist ein Problem der Werbung. Es müssen alle mitziehen, nicht nur die Jugendlichen. Unsere Vorstände auf Bundes-, Landes- und Kreisgruppenebene sowie unsere „Älteren“ müssen mit anpacken und ihre Jugend vor Ort auffordern, aktiv mitzumachen und Mitglied der SJD und damit der Landsmannschaft, zu werden. Die Nachwuchsförderung ist eine Sache, die die ganze Landsmannschaft betrifft. Wir sind alle aufgefordert mitzuhelfen.

Sind sie der Ansicht, dass die Mitgliederwerbung in den ersten zwei Jahren etwas vernachlässigt wurde?

Unsere Zeit ist begrenzt, und wir können leider nicht alles gleichzeitig machen. Die meisten von uns sind übrigens nicht nur in einem Vorstand, sondern gleich in mehreren auf Kreis- oder Landesebene der Landsmannschaft ehrenamtlich aktiv. Mit der Werbung haben wir erst in diesem Jahr massiv begonnen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Die Steigerung der Mitgliedszahlen um mehr als 100% von Februar bis heute sollen uns andere Gruppierungen der Landsmannschaft erst mal nachmachen.

Streben sie eine Verbesserung der SJD-Mitgliedschaft an?

Beim Jungsachsentag am 24. Oktober in Landshut werden wir eine Änderung vorschlagen. Bisher bekommen alle Mitglieder der Landsmannschaft, inklusive der SJD, die Siebenbürgische Zeitung. Da es in den Haushalten oft schon eine Zeitung gibt, sollten wir diesbezüglich ein bisschen flexibel sein und den Mitgliedsbeitrag senken. Ich kenne einen Extremfall wo es drei Zeitungen pro Haushalt gibt.

Welche weiteren Themen werden auf dem Jungsachsentag erörtert?

In erster Linie werden wir Rückschau halten auf die Aktivitäten der letzten drei Jahre. Ich hoffe auf eine rege Diskussion und positive wie negative Kritik. Wir werden Ausschau halten, was in den nächsten drei Jahren möglich ist und einen neuen Vorstand wählen. Die Jugend- und Geschäftsordnung der SJD ist seit 1986 kaum geändert worden. Hier besteht dringend Handlungsbedarf, um sie den heutigen Gegebenheiten anzupassen.

Welche Strategien sind Ihrer Ansicht nach erforderlich, um siebenbürgisch-sächsische Kulturwerte an die nächsten Generationen weiterzugeben?

Nur mit reiner Kultur werden wir die nächsten Generationen nicht begeistern können. Deswegen müssen wir eine Mischung aus Freizeit, Spaß und Kultur anbieten.

In welchem Verhältnis? 50 zu 50?

Würde ich jetzt gar nicht so sagen. Man muss den Leuten natürlich klar machen, dass das siebenbürgisch-sächsische Brauchtum gepflegt werden muss. Das können wir aber nur tun, wenn wir viele sind. Wir können ruhig feiern, müssen aber auch etwas für die Gemeinschaft tun. Wahrscheinlich wird es auf 50 zu 50 hinauslaufen.
Ein großes Problem sind die großen Entfernungen zwischen den siebenbürgisch-sächsischen Jugendlichen in Deutschland. Ein Jugendlicher in München hat natürlich eine große Auswahl an Freizeitmöglichkeiten und denkt sich: Warum soll ich nach Stuttgart fahren, wenn ich genauso hier in einer Tanzschule oder einer Disco tanzen kann? Da müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, was nicht immer leicht ist. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich Jugendliche im Alter von 18 bis 20 Jahren wieder ihrer Wurzeln besinnen und aktiv werden.

Wie kommt das Austauschprojekt „Aus siebenbürgischen Familien, in siebenbürgische Familien bei den Jugendlichen“ an?

Die Austauschplattform im Internet wurde Anfang August frei geschaltet. Wir müssen jetzt für dieses Angebot werben. Da stehen wir noch ganz am Anfang. Vor allem die Aufklärungsarbeit der siebenbürgischen Verbände in den anderen Föderationsländern ist da gefragt. Von selbst werden die Jugendlichen nicht drauf kommen nachzuschauen, ob es einen siebenbürgisch-sächsischen Jugendaustausch gibt.

Wie vereinbaren Sie Ihr vielseitiges ehrenamtliches Engagement mit Ihrem Berufsleben?

Die Verbindung Beruf und Ehrenamt klappt eigentlich ganz gut. Ich bin fast jedes Wochenende ehrenamtlich unterwegs, muss aber auch beruflich manchmal an Messen teilnehmen. Da muss man halt durch.

Zählen Sie Ihr ehrenamtliches Engagement mehr dem Privat- oder dem Berufsleben zu?

Eigentlich ist es wie ein zweiter Beruf.

Vielen Dank für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2004, Seite 1 und 17)

Schlagwörter: Verbandsleben, Jugendarbeit, SJD, Zeiden

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