19. Dezember 2018

„Nicht nur das Auge, ich täusche auch die Sinne“: Michael Lassel wird 70

Nennt man den Namen Michael Lassel in unterschiedlichsten Kreisen, kann man ein allgemeines Nicken feststellen, denn viele, sehr viele Menschen, nah und fern, kennen den Maler Lassel und seine Bilder. In diesem Jahr feiert er seinen siebzigsten Geburtstag.
Michael Lassel wurde am 19. Dezember 1948 im nordsiebenbürgischen Ludwigsdorf geboren und lebt und arbeitet seit 1986 im fränkischen Fürth. Seine Popularität ist grenzenlos. Die bildende Kunst kennt im allgemeinen kaum Grenzen, deshalb hängen Lassels Bilder weltweit: im Bunkamura Museum of Art Tokyo, im Kunstmuseum Genf, Museum of Singapore, in der Tate Gallery London, um nur einige wenige Museen zu nennen. 2003 wurde er von der seit 1930 regelmäßig erscheinenden Berliner Zeitschrift Weltkunst als „der wohl bedeutendste Trompe-l’œil-Maler unserer Zeit“ bezeichnet. Ohne falsches Zeugnis abzulegen, könnte man behaupten, Michael Lassel sei der bedeutendste siebenbürgisch-sächsische Künstler.

Als Jugendlicher mit Talenten gesegnet, schwankte er zwischen der Geige und dem Pinsel. Es siegte die stille Kunst. Lassel studierte ab 1968 bis 1972 an der Kunstakademie Bukarest, u.a. bei Corneliu Baba. Gleich danach durfte er sein erworbenes Wissen an die Schüler der Bergschule in Schäßburg vermitteln. Als er wegen des Ausreiseantrags in die Bundesrepublik Unterrichtsverbot erhält, beschränkt er seine Tätigkeit auf die Grafik. 1986 erfolgt die Übersiedlung mit der Familie nach Deutschland.

Lassel begann in Rumänien zunächst abstrakt zu malen und wendete sich dann dem Surrealismus zu. In Deutschland erfolgte eine Neuorientierung. Ab 1988 reiste er regelmäßig nach Paris, wo er der Gruppe Trompe L’oeil-Réalité um Pierre Gilou beitrat und 1992 Mitglied des Pariser Herbstsalons wurde. Der Beitritt zu dieser Pariser Gruppe hat sein Schaffen nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich geprägt. Der Maler Michael Lassel hat somit seinen eigenen Stil gefunden, ein Stil, der ihn weltweit unverkennbar erscheinen lässt.
Michael Lassel während der Vernissage 2015 in der ...
Michael Lassel während der Vernissage 2015 in der Tiny Griffon Gallery in Nürnberg vor seinem Bild: „Bau und Verfall der Kathedrale“, Öl auf Leinwand, 2002-2003. Foto: Josef Balazs
In einem Interview anlässlich seiner großen Ausstellung in der Tiny Griffon Gallery Nürnberg erzählte er 2015 Josef Balazs, welch unangenehmer Zufall in Paris zu seiner Popularität beigetragen habe. Aus dem Grand Palais in Paris hat man ausgerechnet sein Bild gestohlen. Interpol ermittelte, das Fernsehen berichtete. Parallelen wurden hergestellt, „vorher die Mona Lisa und jetzt mein Bild“, sagt lachend Michael Lassel, „diese Geschichte wird nie aussterben, ich werde immer wieder auf sie angesprochen“.

Seine Phantasie ist überbordend. Darauf angesprochen, sagt Lassel, er habe seine Mutter sehr früh verloren, was einen großen Einschnitt in seinem Leben bedeutete. Er meint: „Durch die Vereinsamung hat sich ein anderer Teil in mir bereichert, nämlich die Phantasie und mein Innenleben. Das führte direkt zu meiner Kunst“. Malerei als Rückzugsort. Seine Vorstellungskraft erfand neue Welten, in denen barocke Bilder in ungewöhnlichen Kombinationen zu neuen Realitäten finden. Lassel meint: „Der Dialog mit den alten Meistern gibt meinem künstlerischen Ausdruck neues Leben, eine Idee, ein Gedanke wird fortgetragen“.

Was bedeutet eigentlich der Begriff Trompe-l’œil? Ein Trompe-l’œil ist eine illusionistische Malerei, die mittels ­perspektivischer Darstellung Dreidimensionalität vortäuscht. Aus dem Französischen übersetzt, bedeutet es „trügerischer Schein“ oder sogar „Augentäuschung“. Gefragt, inwieweit er ein Täuscher sei, antwortet Lassel: „Ich täusche nicht nur das Auge, ich täusche auch die Sinne. Ich will die Welt etwas akzentuierter darstellen. Die Wahrnehmung ist bei einem Künstler ganz anders. Die Gesetzmäßigkeit des Lichtes und des Schattens beschäftigt mich“. Die Faszination seiner Malerei besteht darin, dass er das, was jeder kennt, sehr oft Objekte des Alltags, in eine surreale Nachbarschaft stellt. Er vertauscht die vertrauten Kategorien und Wirklichkeitsbereiche.

Weltweit wurden seine Bilder in ungezählten Gruppenausstellungen gezeigt, aber auch in vielen Einzelausstellungen bewundert, so 1991 in Nürnberg, 1997 in New York in der Galerie Montserrat, um hier nur einige von vielen zu nennen. Als späte Anerkennung widmete ihm die „European Art Gallery“ in Bukarest im Dezember 2010 bis März 2011 eine große Retrospektive.

Einen aktuellen Höhepunkt bildete die Einzelausstellung „Barockkolloquium“ im Brukenthalmuseum in Hermannstadt. Dass 200 Kunstinteressierte zur Vernissage am 4. August 2017 gekommen waren, verblüffte auch den Generaldirektor des Brukenthalmuseums, Prof. Dr. Sabin Adrian Luca. Er meinte, diese Ausstellung sei eine der besten, die das Museum bisher gezeigt habe.

Die vielen Erfolge machten den Künstler Michael Lassel nachdenklich. Er schrieb in einer Mail: „Voriges Jahr, anlässlich der Ausstellung in Hermannstadt, wurde mir klar, ich blicke mit gemischten Gefühlen zurück auf mein Leben in Rumänien: Melancholie für die Menschen, die ich zurückgelassen habe, Nostalgie für die Zeiten, die vergangen sind, aber große Dankbarkeit für die wunderbaren Möglichkeiten, die ich hatte. Ergo beschloss ich als Dankesgeste und Ausdruck meiner Wertschätzung, dem Brukenthal Nationalmuseum aus Hermannstadt eine Schenkung zu machen. Die feierliche Übergabe des Gemäldes fand am Dienstag, 9. Oktober, im Brukenthalmuseum statt“. Sowohl die rumänische als auch die deutsche Presse berichteten über das geschenkte Bild, das einen Wert von 25000 Euro hat.

Die alte biblische Weisheit „Geben ist seliger denn Nehmen!“ beherzigen nur große Geister, die in ihrem Leben Höhen und Tiefen erlebt haben. Michael Lassel gehört zu ihnen.

Am 19. Dezember feiert Michael Lassel seinen 70. Geburtstag! Wir wünschen ihm: Ad multos annos!

Josef Balazs

Schlagwörter: Kulturspiegel, Porträt, Geburtstag, Michael Lassel, Maler, Künstler

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