11. Oktober 2018

Kunstgeschichte als Lebensaufgabe: Manfred Wittstock zum Achtzigsten

Der bekannte Kultur- und Kunsthistoriker Manfred Andrees Wittstock wurde am 25. August 1938 als erstes Kind des siebenbürgischen Schriftstellers Erwin Wittstock (1899-1962) in Hermannstadt geboren und wuchs ab 1947 in Kronstadt auf, wo er 1955 die Mittelschule Nr. 2 mit deutscher Unterrichtssprache abschloss.
Vom 30. September 1955 bis 19. Oktober 1956 arbeitete er als Zeichner im Konstruktionsbüro der Kronstädter Traktorenwerke „Ernst Thälmann“. Durch einen Ministerratsbeschluss kam es zu einem erheblichen Stellenabbau in der Industrie Rumäniens, und Manfreds Posten wurde ebenfalls gestrichen. Danach wohnte er über zwei Jahre lang bei Verwandten in Hermannstadt und arbeitete im Brukenthalmuseum. Im Sommer wirkte er als Arbeitskraft bei archäologischen Grabungen am großen Gräberfeld aus dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr., welches sich von den Thalheimer Höhen bis ins Harbachtal bei Kastenholz hinzieht, sowie an der befestigen Dakersiedlung auf dem Hügel Cățănaș bei Tilișca. Im Winter war er in den Lagerräumen der Geschichtsabteilung des Museums tätig.
Gleiche Eltern, unterschiedliche Temperamente: ...
Gleiche Eltern, unterschiedliche Temperamente: Kulturjournalist Manfred Wittstock (links) mit seinem jüngeren Bruder, dem Schriftsteller Joachim Wittstock (Juli 2017). Die Geschwister Wolfgang und Rohtraut stammen aus der zweiten Ehe von Erwin Wittstock. Foto: Konrad Klein
Die Museumsarbeit und -erfahrung kam ihm sehr zugute, als er dann Rumänische Geschichte an der Fakultät für Geschichte und Philosophie der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg studierte. Zwischen den Abschlussprüfungen und der Verteidigung der Diplomarbeit fanden die Zuteilungen der Absolventen statt, und so trat er als Gymnasiallehrer am 1. September 1964 in Jakobsdorf (Rayon Agnetheln) den Schuldienst an. Von hier wurde er am 1. September 1966 wegen Neugestaltung des Unterrichts nach Marpod versetzt. Nach der administrativen Neueinteilung des Landes, durch welche auch der Kreis Hermannstadt entstand, wurde er am 1. April 1968 als Inspektor ins Kreiskomitee für Kultur und Kunst berufen, quittierte jedoch diesen Dienst am 3. September 1970, da ihm diese Stellung wenig zusagte.

Am 4. September 1970 kam er als Redakteur in die Zweigredaktion Hermannstadt der Landeszeitung Neuer Weg, einer Publikation, die am 1. Januar 1993 unter dem Namen Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien privatisiert wurde. Von der neuen Zeitung übernommen, arbeitete Manfred Wittstock weiter als Journalist, bis er am 1. September 1998 in den Ruhestand versetzt wurde. Er schrieb zahlreiche Artikel über kulturelle Veranstaltungen, führte Interviews mit Kunst- und Kulturschaffenden und berichtete über Ausstellungen siebenbürgisch-sächsischer Künstler. Seine wissenschaftlichen Beiträge erschienen in den Forschungen zur Volks- und Landeskunde, Hermannstadt, und der Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, Heidelberg. In den besagten Beiträgen arbeitete er insbesondere Material aus dem „Siebenbürgisch-Deutschen Künstlerarchiv“ auf, das er vom Sammler und Kunstfreund Rolf Schuller übernommen hatte, als dieser 1973 nach Deutschland ausgewandert war. Ende der 1990er Jahre begann Manfred Wittstock mit der Aufarbeitung des Archivmaterials dieser privaten Sammlung, deren Bestände er auch gegenwärtig aufbewahrt. Dabei stellte er bald fest, dass sowohl Rolf Schuller als auch seine Vorgänger ­Viktor Roth und Otto Czekelius einen ganzen Bereich der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte nicht berücksichtigt hatten, nämlich die vorreformatorische katholische Zeit. Jahre hindurch war nun der Kustos des Archivs bemüht, diese Lücke zu schließen, vorwiegend durch das Studium der städtischen Rechungen aus jener Zeit. Eine wesentliche Hilfe beim Ergänzen des Archivs gewährte ihm der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, der ihm zwischen 1990 und 1999 wiederholt die Möglichkeit bot, die von Rolf Schuller in Gundelsheim neuangelegte Archivsammlung einzusehen und teilweise auch zu kopieren.
Gehört schon längst zum Stadtbild von ...
Gehört schon längst zum Stadtbild von Hermannstadt: Manfred Wittstock, aufgenommen im Juni diesen Jahres auf dem Großen Ring; hinten die ehemalige Bodenkreditanstalt mit der katholischen Stadtpfarrkirche. Foto: Konrad Klein
Im Falle von Würdigungen ist es üblich, darauf hinzuweisen, wann und wo man die gewürdigte Person kennengelernt hat. Leider kann ich keinen genauen Zeitpunkt angeben. Wenn wir einander nicht schon früher begegnet sind, dann ganz gewiss von 1970 bis 1974, als ich Schülerin des Brukenthallyzeums war und gerne Kunstausstellungen besuchte, Ausstellungen deren Chroniken Manfred Wittstock schrieb. Nähere Kontakte hatten wir dann von 1991 bis 1999, als ich als Museologin an der Abteilung für „Nationale Kunst“ im Brukenthalmuseum tätig war. In besagter Abteilung war der erfahrene und gut dokumentierte Kultur- und Kunsthistoriker für sein enzyklopädisches Wissen geschätzt, außerdem kamen uns Informationen aus dem von ihm verwahrten Künstlerarchiv bei der Vorbereitung von Ausstellungen sehr zugute. Für wertvolle Hinweise und gutgemeinte Kritik bin ich ihm auch heute noch dankbar. Auch möchte ich ein Werk erwähnen, das ohne seine Anregung und konkrete Hilfe nicht zustande gekommen wäre: der erste Band „Deutsche Kunst aus Siebenbürgen in den Sammlungen des Brukenthalmuseums Hermannstadt (1800-1950)“ von Doina Udrescu (herausgegeben im Selbstverlag des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Hermannstadt 2003). Das Werk ist sehr wichtig, da es bis zu seinem Erscheinen keinen Katalog oder Verzeichnis gab, in dem die „heimische deutsche Kunst“ in den Beständen des Brukenthalmuseums dokumentiert worden wäre. Leider beinhaltet der erste Band nur die Gemälde heimischer Maler, während der geplante zweite Band, ein Katalog der Grafik und Bildhauerei, nicht zur Ausführung kam.
Wolfgang, Manfred und Joachim Wittstock am Tag ...
Wolfgang, Manfred und Joachim Wittstock am Tag von Manfreds Geburtstagsfeier im Sădurel-Tal bei Hermannstadt am 25. August 2018 (von links). Foto: Inge Wittstock
Für alles, was Manfred Wittstock für die Kultur und Kunst der Deutschen Siebenbürgens getan hat, verdient er unseren herzlichen Dank. Wir wünschen dem Jubilar noch viele schöne Jahre, Gesundheit und Schaffenskraft!

Dr. Gudrun-Liane Ittu

Schlagwörter: Kultur, Medien, Wittstock, Hermannstadt, Neuer Weg, ADZ, Kunstgeschichte

Bewerten:

18 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.