26. April 2018

Herta Daniel: Den jahrhundertealten Gemeinschaftssinn auch heute leben

Die Bundesvorsitzende Herta Daniel nimmt ab sofort auch die repräsentativen Aufgaben des Verbandspräsidenten in Politik und Gesellschaft wahr. Die vom Verbandstag am 7. November 2015 in Bonn gewählte Doppelspitze ist hinfällig. Wie berichtet, wurde Dr. Bernd Fabritius am 11. April neuer Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung und legte noch am selben Tag sein Amt als Verbandspräsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland nieder, um eine Interessenkollision zu vermeiden. Herta Daniel, 1952 in Hermannstadt geboren, studierte von 1971 bis 1975 Chemie in Klausenburg und ist zurzeit in der Pharmabranche tätig. Im Verband hat sie sich vielseitig engagiert: 2004-2008 war sie Vorsitzende der Kreisgruppe Bad Tölz – Wolfratshausen, 2008-2016 Vorsitzende des Landesverbandes Bayern und von 2011 bis 2015 auch Stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes. Im folgenden Interview mit Chefredakteur Siegbert Bruss gibt die Bundesvorsitzende Herta Daniel Auskunft über aktuelle Entwicklungen bei den Siebenbürger Sachsen.
Welche Änderungen ergeben sich in der Arbeit unseres Verbands nach dem Wegfall der Doppelspitze?
Für die Mitglieder unseres Verbandes werden kaum Änderungen spürbar sein! Die Doppelspitze funktionierte nicht nach den Regeln eines „Pas de deux“, bei dem zwingend zwei Personen gleichzeitig in Aktion sein müssen! In unserer Satzung sind die Aufgaben und Zuständigkeiten des Verbandspräsidenten (Vertretung des Verbandes in Politik und Gesellschaft) und die des Bundesvorsitzenden (innergemeinschaftliche Aufgaben des Verbandes) festgelegt, die gegenseitige Vertretungsregelung ebenfalls. Nun fallen alle Aufgaben mir zu. Genau wie bisher werden die Beschlüsse des Verbandstages, der obersten Instanz und des ranghöchsten Organs unseres Verbandes, umgesetzt. Ich bzw. der Bundesvorstand wurde von dem Verbandstag im Vertrauen auf tragfähige Entscheidungsfindungen für unseren Verband gewählt. Dem fühle ich mich verpflichtet!

Welche Hoffnungen verbinden Sie mit Dr. Bernd Fabritius als neuem Aussiedlerbeauftragten?
Zum ersten Mal wurde der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten aus den Reihen der Aussiedler berufen! Dass die Wahl auf einen Siebenbürger Sachsen fiel, freut uns sehr und steht für das große Vertrauen und die Wertschätzung, die Dr. Bernd Fabritius entgegengebracht wurden. Zunächst begleiten ihn meine besten Wünsche für dieses sehr verantwortungsvolle Regierungsamt, verbunden mit Dankbarkeit und Anerkennung für seine bisherigen Leistungen und Errungenschaften nicht nur für unsere Landsleute, sondern für den großen Kreis der Aussiedler und Vertriebenen. An dieser Stelle erinnere ich ­daran, dass er in den vergangenen Jahren zu aktuellen Themen (z.B. Fremdrentenrecht) zahlreiche Informationsveranstaltungen für unsere interessierten Landsleute, aber auch für Mitglieder anderer Landsmannschaften angeboten hatte, die sehr großen Zuspruch fanden und Multiplikatorenwirkung hatten. Ich bin mir sicher, dass er – wie in all seinen bisherigen Positionen und Ämtern – unermüdlich für die Anliegen aller Aussiedler und Vertriebenen eintreten wird und dass er seinen Einsatz für die in den Herkunftsgebieten verbliebenen Deutschen erfolgreich fortsetzen wird.
Herta Daniel, Bundesvorsitzende des Verbandes der ...
Herta Daniel, Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Foto: Siegbert Bruss
Beim Heimattag in Dinkelsbühl wird am Samstag, dem 19. Mai, ein Apfelbäumchen gepflanzt. Sie haben die Reihe „12 Apfelbäumchen für ein klares Wort“ durch Ihre Präsenz intensiv begleitet, die jüngste Aktion fand am 7./8. April in Basel (Schweiz) statt. Weshalb ist es wichtig, dass auch in Dinkelsbühl ein Apfelbäumchen gepflanzt wird?
Diese Veranstaltungsreihe weist auf wesentliche Meilensteine der siebenbürgischen Reformation in und außerhalb Siebenbürgens und damit auf die europäische Ebene der Reformation hin. Diese nicht rückwärtsgewandte, sondern zukunftsorientierte Reihe der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien verbindet unsere Vergangenheit mit unserer Zukunft! Sie verbindet den historischen Rückblick auf die Reformation mit einem Ereignis, das – wie unsere evangelische Kirche während der letzten 500 Jahre – in der Zukunft Früchte tragen soll: Die gepflanzten Apfelbäumchen sollen die Gedanken der Reformation, unseres Glaubens mit seinen zu erwartenden Früchten, jedes Jahr aufs Neue lebendig werden lassen! Mit diesem Projekt wurde eine weitere Möglichkeit der Vernetzung innerhalb der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen aus mehreren Regionen Europas, mit den Kirchen Europas und innerhalb der Ökumene in Rumänien geschaffen.
Es ist also naheliegend, dass diese Aktion als ein lebendiges Zeichen, ein Apfelbäumchen der Hoffnung, wie ­Bischof Reinhart Guib das ausdrückte, auch nach Dinkelsbühl gebracht wird, einem Ort, an dem sich seit Jahrzehnten die Siebenbürger Sachsen aus ­aller Welt treffen. Damit wird die Reformation in Siebenbürgen, die unseren Werdegang der letzten Jahrhunderte bestimmt hat, mit den hier in Deutschland von uns neu eingegangenen Bindungen zusammengeführt. Wir sind der Stadt Dinkelsbühl sehr dankbar, dass dies ermöglicht wurde und betrachten es als große Ehre, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder seine Anwesenheit bei diesem Abschluss der Apfelbäumchenreihe zugesagt hat.

Der Begriff Heimat erlebt gerade eine Renaissance in der bundesdeutschen Öffentlichkeit. So ist der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer zugleich auch Heimatminister, die Medien befragen vermehrt auch die Landsmannschaften zu diesem Thema. Was bedeutet Heimat für Sie als Siebenbürger Sächsin?
Einige unserer Heimattage hatten in ihrem jeweiligen Motto den Begriff Heimat enthalten, Heimat ist also nie aus unserem Fokus verschwunden. Aber es sind nicht nur die Aussiedler und Vertriebenen, die sich mit diesem Begriff seit jeher beschäftigen. Ich habe vor einigen Jahren in einem Erfahrungsaustausch auf Einladung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen des Bayerischen Landtags erfahren, dass diese Partei eine mehrtägige Tagung einberufen hatte, um sich mit dem Begriff Heimat auseinanderzusetzen und diesen aus ihrer Sicht zu definieren, was ich für eine bemerkenswerte Initiative halte.
Meines Erachtens gibt es keine allgemeingültige Definition für den Begriff Heimat. Jedem muss das Recht eingeräumt werden, Heimat für sich selber zu definieren. Es gibt mehrere Dimensionen der Heimat, z.B. eine materielle (Landschaft, Region, Ort, Haus etc.) und eine immaterielle (Muttersprache, Glaube, Kultur, Traditionen, Wertvorstellungen, soziale Bindungen etc.) Dimension der Heimat. Meine Heimat Siebenbürgen existiert nur noch teilweise als Landschaft, Gebäude, als vertraute Umgebung. Es fehlen dort aber heute wesentliche Elemente der immateriellen Ebene, also die Komponenten von früher, die größtenteils nur noch in Erinnerungen leben. Zu meiner Heimat gehört aber auch eine dunkle Seite, ob ich das nun will oder nicht: Das Leben in einem totalitären Regime und das Ausgeliefertsein in einer Diktatur können nur diejenigen ermessen, die Ähnliches jemals miterlebt haben.

Die vermehrte Einbindung der jungen Generation in alle Ebenen der Verbandsarbeit, die Weitergabe unserer Werte an die jungen Leute – das sind Ziele, die Sie als Bundesvorsitzende mit Nachdruck verfolgen. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz nach zwei Jahren aus, was ist diesbezüglich noch zu tun?
„Jung“ ist ein relativer Begriff und hängt von dem jeweiligen Blickwinkel ab: Als ich Anfang dieses Jahrtausends in Geretsried zur stellvertretenden Kreisvorsitzenden gewählt wurde, gab es Stimmen: Kån det jang Frachen daut iwwerhiewt mauchen? Ich war damals 48 Jahre jung (für die über 70-Jährigen) bzw. alt (für die 20-Jährigen sicher bereits ein Grufty) …
Im Bundesvorstand sind einige tüchtige Vertreter der Generation der 30- bis 40-Jährigen zu finden, genauso auf Landesgruppen- oder Kreisgruppenebene. Dort hat in vielen Fällen ein Generationenwechsel stattgefunden, die Stafette wurde an die nächste Generation weitergegeben. In anderen Fällen steht das noch bevor. Und hier müssen wir ansetzen und rechtzeitig die Jüngeren in die landsmannschaftliche Arbeit einbinden und ihnen Verantwortung übertragen und dabei auch akzeptieren, dass sie neue, noch nie dagewesene Wege gehen. Nur auf diese Art können wir ehrenamtlich Tätige für die Zukunft gewinnen.
Die Zwischenbilanz der vermehrten Einbindung der jungen Generation in alle Ebenen der Verbandsarbeit lässt sich in der Siebenbürgischen Zeitung nachlesen: Das Sachsentreffen in Hermannstadt war 2017 für unsere Jugend eine Gelegenheit, nicht nur mit zu organisieren, sondern auch zu zeigen, dass ihnen unsere Werte wichtig sind. Auch die Heimattage in Dinkelsbühl werden nach wie vor durch die Mitwirkung der SJD, der Kinder und Jugendlichen sehr stark geprägt. Das beeindruckt alle Besucher unseres Heimattages.

Schon bei der Wahl als Bundesvorsitzende haben Sie erklärt, dass Sie ein besonderes Augenmerk auf die Mitgliederzahlen setzen werden, die bekanntlich seit mehreren Jahren rückläufig sind. Mit welchen Argumenten und Leistungen können wir neue Mitglieder gewinnen?
Ich habe damals auch gesagt, dass ich eine Steigerung der Mitgliederzahlen nicht versprechen kann, weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass diese Wunschvorstellung, so verständlich sie auch sein mag, trotz unterschiedlicher Maßnahmen (siehe z.B. Handbuch des Kreisvorsitzenden oder Werbegeschenke) nicht funktioniert hat. Wir haben mit den Kreisvorsitzenden in kleinen Gesprächsgruppen über brennende Themen der Basis, wie Mitgliederwerbung, organisiert und die Ergebnisse/Argumente auf unserer Homepage veröffentlicht, so dass jeder Interessierte Inspirationsquellen hat.
Es ist eine Tatsache, dass jedes Jahr einige hundert neue Mitglieder den Weg zu uns finden. Das zeigt, dass unser Verband nach wie vor attraktiv ist. Leider übersteigt die Anzahl unserer Mitglieder, die wir durch Ableben verlieren, diejenige der Neumitglieder, so dass die Mitgliederzahlen weiter sinken und sinken werden, denn gegen den Tod gibt es kein Argument!
Der Verband der Siebenbürger Sachsen kann Rahmenbedingungen schaffen, die für einige, sicher nicht für alle unserer Landsleute, ansprechend sein können. Aber sehr wichtig sind die Familie und die Basis unseres Verbandes, die Kreisgruppen! Und hier ist jeder Einzelne von uns aufgerufen, etwas zu tun, um den Fortbestand unserer Gemeinschaft zu sichern und Personen, denen unsere Werte, unsere Traditionen, unsere Kultur etwas bedeuten, als Mitglieder zu gewinnen. Am besten funktioniert das durch persönliche Gespräche und – Vorleben. Wenn z.B. ein dreijähriges Kind mit unserer Verbandszeitung winkt und voller Begeisterung ruft: „Papa, schau mal, die Siebenbürger sind gekommen!“, dann ist in dieser Familie etwas gut gelaufen.

Der Verband hat sich im Sommer 2015 für den Erwerb von Schloss Horneck und danach für dessen Um- und Ausbau eingesetzt. Wie sehen Sie als stellvertretende Vorsitzende des Siebenbürgischen Kulturzentrums „Schloss Horneck“ e.V. die künftige Entwicklung dieses Vorhabens?
Die schwierige Herausforderung des Ankaufs der Schlossimmobilie wurde 2015, im Schicksalsjahr unserer Kultureinrichtungen in Gundelsheim, zu einem guten Abschluss gebracht! Unsere siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft hat damals in beeindruckender Weise ihr Interesse an der Erhaltung unserer Kultureinrichtungen in Gundelsheim bekundet und ist deshalb dem Spendenaufruf unseres Verbandes gefolgt! Ohne diese Spenden wäre die Zuwendung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) in Höhe von 1,9 Millionen Euro schwer zustande gekommen, da ein Eigenanteil Voraussetzung für solch eine Zuwendung ist.
Wir wollen uns am 7. Juli 2018 mit einem Schlossfest in Gundelsheim bei allen Spendern bedanken und danach die Arbeiten zum Aus- und Umbau von Schloss Horneck zügig angehen, damit dieses siebenbürgische Kultur- und Begegnungszentrum mit Leben erfüllt werden kann. Das Betriebskonzept ist für die nächsten 25 Jahre auf Grundlage einer sehr konservativen Berechnung erstellt worden und wurde von der BKM gutgeheißen. Eigenleistung und Spenden sind aber auch weiterhin nötig, da diese Zuwendung nicht alles Notwendige abdeckt, z.B. Innenausstattung der 24 Übernachtungs-, 4 Seminarräume, Sanierung des Pförtnerhäuschens, Kosten für die Vorbereitung der Eröffnung des Kultur- und Begegnungszentrums, Gestaltung des Schlosseingangs und Foyers, Beschilderung, Sanierung der Steinskulpturen des Schlossportals etc. Sehr wichtig finde ich den selbstlosen Einsatz von Fachleuten, die sich in ihrer Freizeit mit all ihrem Wissen und Können ehrenamtlich einbringen.

In Ihrem Grußwort beim Sachsentreffen am 5. August 2017 in Hermannstadt haben Sie sich für eine Festigung der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg ausgesprochen. Wie beurteilen Sie den grenzüberschreitenden Zusammenhalt der Siebenbürger Sachsen? Lassen Sie mich das anhand zweier Beispiele beschreiben. Als unser Verband vor der großen Aufgabe stand, Schloss Horneck zu erwerben und die nötigen Mittel fehlten, erreichten uns Hilfe und Unterstützung von Siebenbürger Sachsen und ihren Organisationen aus der ganzen Welt! Es war unsere Burg am Neckar, die es zu retten galt und für die gespendet wurde. Die Hilfe und der Zuspruch kamen über alle Grenzen hinweg, das Ergebnis kann sich als „grenzenlose“ Gemeinschaftsleistung sehen lassen.
Das große Sachsentreffen 2017, organisiert vom Siebenbürgenforum, dem HOG-Verband und anderen Mitveranstaltern, war ein gemeinschaftliches Ereignis, das jungen Landsleuten, von denen viele zum ersten Mal in Siebenbürgen weilten, die große Welt der Siebenbürger Sachsen öffnete und sie vielleicht die Bedeutung unseres über Jahrhunderte gewachsenen Gemeinschaftssinns erahnen ließ. Dazu trugen sicher auch die feierlichen Momente bei, deren Wirkung sich niemand entziehen konnte, aber auch die Fröhlichkeit, die sich über diese Tage wie ein buntes Band zog.
Herausforderungen wie Schloss Horneck oder Ereignisse wie das Sachsentreffen 2017 tragen zur Festigung unserer Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg bei. Das meinte ich damals.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Schaffensfreude und Erfolg in Ihrem Amt als Bundesvorsitzende!

Schlagwörter: Verbandsleben, Verband, Herta Daniel, Bundesvorstand, Heimattag 2018, Apfelbäumchen

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