5. April 2018

Mit Leib und Seele Rechtsanwalt und überzeugter Europäer, im Herzen ein Siebenbürger Sachse: Nachruf auf Dr. Jürgen Gündisch

Die Traueranzeige seiner Angehörigen fasst Leben, Wirken und Ende von Dr. Jürgen Gündisch LL.M treffend zusammen: „In Dresden geboren, in Budapest aufgewachsen, in Hamburg heimisch geworden, blieb er im Herzen Siebenbürger Sachse. Mit Leib und Seele war er Rechtsanwalt und überzeugter Europäer – zugleich war er auch immer Mittelpunkt unserer Familie. Er verstarb auf dem Corvatsch auf 3303 m Höhe im Engadin, Schweiz.“
Dem 89-Jährigen war es vergönnt, am 13. März 2018 bei strahlendem Wetter, mit dem Blick auf den blauen Himmel und die verschneiten Berge des Engadin, in den Armen seiner geliebten Frau Bibi zu sterben, plötzlich, während eines Urlaubs mit der Familie seiner Tochter Nicola in Sils Maria. Wichtigste Stationen seines Lebens (anlässlich seines 80. Geburtstags ausführlicher gewürdigt in dieser Zeitung) waren: Dresden, der Herkunftsort seiner Mutter aus der Familie des Bundesinnenministers a.D. Gerhart Baum, wo Herbert-Jürgen Gündisch am 26. Februar 1929 als Sohn des Rechtsanwalts und siebenbürgischen Abgeordneten im ungarischen Parlament Dr. Guido Gündisch geboren wurden; dann Budapest, wo er seine Kindheit und frühe Jugend verbrachte; Ulm, wo er sein Abitur ablegte; München, Tübingen und Cambridge/USA, wo er Rechtswissenschaften studierte (Promotion zum Dr. jur. in Tübingen, 1954); schließlich Hamburg, wo er heimisch wurde und ab 1956 als Rechtsanwalt für Öffentliches, Verfassungs-, Europa- und Lebensmittelrecht in der Sozietät Modest & Partner, heute Graf von Westphalen (er war Partner dieser renommierten Anwaltssozietät), wirkte, überdies jahrzehntelang in der Hamburger Bürgerschaft (1961-1974), im Hamburgischen Richterwahlausschuss (1973-1993) sowie im Verfassungsgericht der Hansestadt (1979-2005) aktiv mitarbeitete. Dabei sei es ihm stets gelungen, „neben seinem Beruf seinen breitangelegten kulturellen Interessen nachzugehen, und sich immer für das Gemeinwohl“ einzusetzen, wie Dr. Klaus Landry, damals Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, seinen Kollegen anlässlich einer Feier zum 70. Geburtstag im Jahre 1999 festgestellt hat.
Dr. Jürgen Gündisch. Foto: Bibi Gündisch ...
Dr. Jürgen Gündisch. Foto: Bibi Gündisch
Der überzeugte Europäer hat sich auch als Autor wichtiger Fach- und Sachbücher wie „Rechtsschutz in der Europäischen Union. Ein Leitfaden für die Praxis“ (2 Auflagen, 1994, 2003; ungarische Übersetzung 2004) und „Rechtssetzung und Interessenvertretung in der Europäischen Union. Verfahren, Mitwirkung, Qualität, Legitimation“ (1999) einen Namen gemacht. In einer Rezension der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird dem Autor bescheinigt: „Das Buch wird abgerundet durch eine knappe und pointierte Darstellung der rechtspolitischen Diskussion, die sich um die künftige Gestalt Europas rankt. Gündisch teilt nicht die Auffassung, nur das Staatsvolk biete die Homogenität, die für den demokratischen Willensbildungsprozess erforderlich sei; Zusammenhalt lasse sich auch durch gemeinsame Wertvorstellungen erreichen. Gündisch ist optimistisch, dass sich trotz der Sprachschwierigkeiten sukzessive ein demokratischer europäischer Diskurs entwickeln werde.“ Und die Freundesgabe „Beiträge zum deutschen und europäischen Recht“ (1999) dokumentiert die Anerkennung des bedeutenden Juristen durch seine Fachkollegen.

Siebenbürgische Ortschaften gehörten nicht zu seinen Lebensstationen, wenngleich er die Heimat seines Vaters oft besucht hat, ihr stets eng verbunden war. Im Herbst 2007 etwa unternahm er mit seiner Frau, seinen drei Töchtern und seinem Sohn, mit Schwieger- und Enkelkindern eine Reise nach Siebenbürgen, insbesondere nach Hermannstadt und Heltau. Persönlich bekam ich seine Verbundenheit mit der siebenbürgischen Geschichte und Kultur wiederholt zu spüren, zweimal ganz unmittelbar: Als 2005, auf seine Initiative, ein Gündisch-Treffen auf Schloss Horneck organisiert wurde und er im Kreis seiner Landsleute aufblühte (die meisten der rund 90 anwesenden Namensträger waren nicht miteinander verwandt) und 2011 anlässlich einer Studienfahrt auf den Spuren des Deutschen Ordens, von der Marienburg an der Nogat (im heutigen Polen) bis nach Marienburg in Siebenbürgen, die er in vollen Zügen, zusammen mit seiner Gattin, genossen hat.

Dass nun in seinem Sinne statt Blumen um eine Spende zugunsten der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek gebeten wird, die sich für den Erhalt und Unterhalt des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim tatkräftig engagiert, verdeutlicht ein weiteres Mal diese Heimatverbundenheit von Dr. Jürgen Gündisch, dem wir ein ehrendes Angedenken bewahren mögen.

Konrad Gündisch

Schlagwörter: Kultur, Nachruf, Jurist, Politiker, Hamburg

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