4. Dezember 2016

„Siebenbürgen ist mir wichtig“: Lars Müller-Marienburg, Superintendent in Niederösterreich

Seit knapp zwei Monaten wirkt Lars Müller-Marienburg als Superintendent der Evangelischen Kirche A.B. in Niederösterreich. Sein Amtssitz befindet sich in der Julius-Raab-Promenade in St. Pölten, der Landeshauptstadt von Niederösterreich. Der 39 Jahre junge, ledige Theologe ist gebürtiger Bayer, seine Eltern sind Siebenbürger Sachsen.
Lars Müller-Marienburg wurde 1977 im mittelfränkischen Ansbach geboren und studierte in München evangelische Theologie. Sein Vikariat absolvierte er in Linz, 2010 wurde er Pfarrer der evangelischen Pfarrgemeinde Innsbruck-Auferstehungskirche. Mit seiner am 15. Oktober in der Auferstehungskirche in Wiener Neustadt erfolgten Amtseinführung ist Lars Müller-Marienburg die geistliche Aufsicht und Verwaltung des Kirchenkreises übertragen worden. „Superintendent ist für mich kein Titel, sondern ein Ruf.“, betonte der für eine 12-jährige Amtszeit gewählte Theologe in seiner Predigt. Die Superintendentur ist für rund 40 000 Evangelische in 28 Gemeinden in Niederösterreich zuständig.

Auf seinen siebenbürgisch-sächsischen Familienhintergrund angesprochen, unterstreicht Lars Müller-Marienburg gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung: „Obwohl meine Sprachfärbung nicht darauf schließen lässt, ist mir Siebenbürgen wichtig. Meine Mutter stammt aus Kronstadt, mein Vater aus Marienburg bei Kronstadt. Beide sind als dreijähriges Kind bzw. als 16-jähriger Jugendlicher nach Deutschland gekommen. Dennoch waren die Worte ‚zu Hause‘ immer für Siebenbürgen vorbehalten.“ Die Eltern leben seit den 1970er Jahren in Ansbach. Sein Vater ist Arzt, seine Mutter war zunächst als Volksschullehrerin berufstätig und kümmerte sich danach als Hausfrau um die vier Kinder.
Lars Müller-Marienburg, Superintendent der ...
Lars Müller-Marienburg, Superintendent der Diözese Niederösterreich. Foto: Uschmann
Wie erahnt, fungiert „Marienburg“ im Doppelnamen als Herkunftsverweis: „Der Familienname meiner väterlichen Familie war bis in die 50er Jahre hinein schlichtweg ‚Müller‘. Mein Großvater hat dann den Ortsnamen als familiengeschichtliche Erinnerung im Zuge einer Namensänderung an Müller anhängen lassen.“ Eltern und Großeltern haben dem Knaben viel von ihrer siebenbürgischen Heimat erzählt. „Mein Vater hatte immer Angst, jemals wieder dorthin zu reisen. Erst 1994 gab es dann die erste Reise dorthin. Ich war beeindruckt von der Landschaft und den Orten. Vor allem aber habe ich zum ersten Mal wirklich gespürt, was Verwurzelung in einem Land bedeuten würde: Die Gräber der Vorfahren, Häuser und Orte der Familiengeschichte, Tauf- und Konfirmationskirchen usw. usw. Ein überwältigender Eindruck. Erst da habe ich gemerkt, dass das alles durch die Ausreise in einem fernen Land zurückgeblieben ist und es nicht so schnell wieder am neuen Ort in Deutschland entstehen kann.“

Zwischenzeitlich war Lars Müller-Marienburg vier Mal in Siebenbürgen. Besonders bei den beiden Reisen in den letzten Jahren sei es ihm wichtig geworden, einen eigenen, persönlichen Zugang zu Siebenbürgen zu gewinnen, der über die Familiengeschichte hinausgeht: „Ich verstehe den Schmerz meiner Eltern voll und ganz. Der Schmerz ist auch ein Teil unserer Familiengeschichte. Aber er soll nicht das einzige bleiben, was ich zu Siebenbürgen empfinde.“ So habe er den Kontakt zur Evangelischen Kirche gesucht und inzwischen in den Bezirksdechanten Dietrich Galter und Bruno Fröhlich „gute Gesprächspartner“ gefunden, „die mir etwas vom heutigen Leben erzählen“. Neben dem familiären, geschichtlichen Reiseprogramm habe er so einen eigenen Einblick in das heutige Siebenbürgen bekommen, mehr noch: „Ich durfte auch schon an einigen Orten predigen, was mich sehr bewegt hat.“

Im Hinblick auf das bevorstehende Luther-Jahr 2017, in dem wir 500 Jahre Reformation feiern, erklärt Superintendent Müller-Marienburg: „Meine Hoffnung ist, dass das Jubiläumsjahr 2017 mehr sein wird als ein reines Historienspiel. Die evangelische Kirche muss sich darüber klar werden, was sie für ihre Mitglieder anzubieten und in der Gesellschaft beizutragen hat. Gesellschaftlich glaube ich, dass die evangelische Kirche eine Anwältin der Vielfalt sein könnte. In Österreich war es ein langer Prozess, bis man endlich verstanden hat, dass es auch Evangelische im Land geben kann. Nun hat man vor uns keine Angst mehr. Darum ist es unsere Aufgabe, anderen Angst vor anderen religiösen Gruppen zu nehmen.“

Zur Ökumene pflegt der Theologe eine nahezu symbiotische Beziehung, denn: „Als Minderheitenkirche in Österreich ist ökumenische Zusammenarbeit selbstverständlich. Ich bin froh, dass das Miteinander mit der römisch-katholischen Kirche sich so verbessert hat und auch reges Interesse besteht, das Jahr 2017 miteinander zu begehen.“ Mithin gelte es, so Lars Müller-Marienburg, „unsere ‚Mittelposition‘ als akzeptierte Minderheit zu nutzen und den Blick zu weiten in Richtung anderer Kirchen und Religionsgemeinschaften, die es ja in Österreich auch in großer Zahl gibt".

Christian Schoger

Schlagwörter: Kirche, Österreich, Niederösterreich, Führung, Personalie, Theologe

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