7. Juli 2016

Peter Motzan zum Siebzigsten: solides Wissen und geradezu legendäres Sprachempfinden

Zu den Bonmots, die Peter Motzan gegen Ende seiner Dienstzeit im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München e. V. (IKGS) aus seinem großen Vorrat an Zitaten und Anekdoten immer wieder hervorholte, gehörte auch der Ausspruch des Literarturkritikers Günter Blöcker (1913-2006), der anlässlich seines 70. Geburtstages auf die Frage, was für Zukunftspläne er hege, geantwortet haben soll, er werde sich auf sein Altenteil zurückziehen, ab sofort die Feder aus der Hand legen und nichts mehr publizieren.
Diese Äußerung Blöckers, der einer der produktivsten und einflussreichsten Kulturjournalisten der Bundesrepublik Deutschland war und dessen Bücher – u.a. Die neuen Wirklichkeiten. Linien und Profile der modernen Literatur (1957), Heinrich von Kleist oder das absolute Ich (1960) – zu den literaturwissenschaftlichen Standardwerken zählen, führte Peter Motzan für gewöhnlich dann an, wenn er ein Buch rezensieren sollte, das ihm missfiel, oder einen schludrig verfassten Beitrag für einen Sammelband des IKGS-Verlags bzw. für die institutseigene Zeitschrift Spiegelungen zu redigieren hatte. Es war seine Art, sowohl seinem Ärger über die ungezügelte, geradezu überbordende Produktivität einiger besonders ehrgeiziger, anerkennungssüchtiger südostdeutscher Autoren Luft zu machen als auch mit jenen zwar ambitionierten, doch philologisch nur mangelhaft qualifizierten Literaturwissenschaftlern und Historikern ins Gericht zu gehen, die das Schreiben und Veröffentlichen – auch im hohen Alter – nicht unterlassen konnten.

In solchen Fällen geriet der ansonsten friedfertige, verständnisvolle Forscher und Hochschullehrer gelegentlich in oberlehrerhaftes Dozieren, nicht ohne augenzwinkernd und mit einem verzeihenden Lächeln im Gesicht zu bemerken, es gäbe unter den zahlreichen Gattungen und Formen der Literatur halt auch eine weitere, leider zu wenig beachtete, die aber am schwierigsten zu handhaben sei: der einfach erweiterte Satz, den korrekt zu bilden, auch so manchem Verfasser eines literarischen oder wissenschaftlichen Textes abgehe.

Bei so hoch gesetzter Messlatte und solch hehren Ansprüchen – nicht zuletzt auch gegenüber seinen eignen Arbeiten – nimmt es nicht wunder, dass Peter Motzan nach der Verrentung seine wissenschaftliche Produktion sichtlich zurückgefahren hat, sich auf wenige, für ihn wesentliche Vorhaben beschränkt und die Präsenz in der Öffentlichkeit allein von den Ergebnissen seiner Tätigkeit am Schreibtisch abhängig macht. Der Literaturwissenschaftler nimmt nur gelegentlich Einladungen zu Symposien an – „Tagungstourismus“ war ihm stets verpönt –, beteiligt sich vergleichsweise selten mit Studien und Aufsätzen an Zeitschriften und Sammelbänden, lehnt Mitarbeit an Tages- und Wochenzeitungen ebenso ab wie Mitgliedschaften und vor allem Führungspositionen in ihm arbeitsfremden Vereinen und Organisationen. Sehr zum Bedauern vor allem jener, die von seinen beeindruckenden Fachkenntnissen und seiner Stilsicherheit über viele Jahre Gebrauch machen konnten, hat er auch seine Kontakte über seinen engsten Freundeskreis hinaus merklich eingeschränkt.

Über die Gründe dieses Rückzugs ins Private kann freilich gerätselt werden. Bedauerlich ist es allemal, und vor allem jüngere und jüngste Wissenschaftler hätten von seinem soliden germanistischen und historischen Wissen und von dem über Jahrzehnte von ihm eng geknüpften Netzwerk noch eine gute Weile profitieren können. Sein geradezu legendäres Sprachempfinden, das auf Anhieb in der Lage ist, die Schwachstellen eines Textes zu erkennen, und das im Laufe einer langen Karriere als Hochschullehrer, Forscher und Redakteur vielen halbfertigen Elaboraten auf die Sprünge geholfen hat, und nicht zuletzt sein Bekanntheitsgrad und seine Reputation hätten so manchem wissenschaftlichen ­Gremium bzw. der einen oder anderen Zeitschriftenredaktion zum Ruhme und zur Zierde gereicht.

Einen Namen hatte sich der am 7. Juli 1946 Hermannstadt geborene Peter Motzan zunächst mit Kritiken gemacht, mit denen er den Entwicklungsgang junger rumäniendeutscher Autoren begleitete. Als er darüber hinaus auch mit Rezensionen und Aufsätzen zur deutschen und gelegentlich zur rumänischen Gegenwartsliteratur an die Öffentlichkeit trat, erschrieb er sich in wenigen Jahren einen führenden Platz im zwar schon geschrumpften, aber immer noch recht lebendigen rumäniendeutschen Literaturbetrieb. Bereits 1977 bezeichnete ihn der Kulturjournalist und spätere Hermannstädter Hochschulprofessor Horst Schuller Anger als den „zweifellos begabtesten“ rumäniendeutschen Literaturkritiker, und 1987 nannte ihn Adrian Marino (1921–2005), der bekannte Klausenburger Komparatist und Literaturtheoretiker, „cel mai important germanist român în viață“ (den bedeutendsten rumänischen Germanisten der Gegenwart). 1980 promovierte Motzan an der Universität Bukarest mit der Arbeit Die rumäniendeutsche Lyrik nach 1944. Problemaufriss und historischer Überblick, die in gekürzter Fassung im selben Jahr im Klausenburger Dacia Verlag veröffentlicht wurde. Seine 1981 und 1984 in der DDR erschienenen Prosa- bzw. Lyrikanthologien – Ein halbes Semester Sommer und Der Herbst stöbert in den Blättern – wurden auch in der überregionalen deutschen Presse beachtet, seine umfangreicheren Darstellungen und Studien zur Geschichte der rumäniendeutschen Literatur des 20. Jahrhunderts setzten Maßstäbe analytischer Schärfe und zeichneten sich durch kultivierten Sprachgebrauch aus.
Geistreich und von stupender Belesenheit: Dr. ...
Geistreich und von stupender Belesenheit: Dr. Peter Motzan (hier bei der Vorstellung von Mircea Cărtărescus Roman „Die Flügel“ 2011 in München). Foto: Konrad Klein
Als Übersetzer und vor allem als Herausgeber der Lyrikanthologie Vînt potrivit pînă la tare (Mäßiger bis starker Wind, 1982), in der dem Leser zehn junge rumäniendeutsche Autoren in der Übertragung von Ioan Mușlea vorgestellt werden, hat Peter Motzan ein breites Lesepublikum erreicht. Wie es zahlreiche Kommentare und Besprechungen in der rumänischen Presse jener Jahre bezeugen, war diese Auswahl von nachweislichem Einfluss auf die damals jüngste rumänische Literatur – die sogenannte „Generation 80“ – und hat eine Wende in deren Schreibhaltung und Diskursformen herbeigeführt. Dass eine in „Auflösung begriffene kleine Minderheitenliteratur in eine Vorreiterrolle aufrückte, Schrittmacherdienste für eine Nationalliteratur leistete“, war ein „recht ungewöhnliches Kapitel einer Wirkungsgeschichte“ – hat Peter Motzan dieses Phänomen rückblickend beschrieben.

Den Sturz der Ceaușescu-Diktatur erlebte Peter Motzan auf gepackten Koffern. Ende der 1980er Jahre hatte er wie viele andere rumäniendeutsche Schriftstellerfreunde, die bereits vor ihm ausgewandert waren, den Ausreiseantrag gestellt. Er erhielt Publikationsverbot, verlor seine Arbeitsstelle, musste unter Pseudonym veröffentlichen und war gezwungen, sich mit Privatstunden finanziell über Wasser zu halten.

Nach dem politischen Umsturz versuchten nicht nur rumänische und rumäniendeutsche Literaten, die im Lande lebten und keine Auswanderungsgedanken hegten, ihn von seiner Absicht, Rumänien zu verlassen, abzubringen, auch der Dekan der Klausenburger philologischen Fakultät und der Rektor der „Babeș-Bolyai“ Universität redeten auf den beliebten, über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Hochschullehrer ein, er solle seine Entscheidung rückgängig machen, und stellten ihm die sofortige Beförderung vom Lektor zum Professor in Aussicht.

Doch Peter Motzan blieb beim bereits gefassten Entschluss und hat diesen Schritt im Nachhinein nicht bereut. Im Unterschied zum Großteil der aus Rumänien ausgesiedelten Germanisten, denen neue Fachorientierungen nicht erspart blieben, musste er seinen Beruf, der ihm auch zum Hobby geworden war, nicht aufgeben, ja er hatte die Gelegenheit, sein Wissen beträchtlich zu erweitern und seine Forschungen merklich zu vertiefen. Er veröffentlichte – vor allem in den frühen 1990er Jahren, als er beruflich noch weniger gebunden war und über mehr Freizeit verfügte –, nicht nur in der regionalen Presse, sondern auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der Welt und der Rhein-Neckar-Zeitung und arbeitete gelegentlich auch beim Hessischen Rundfunk mit. Nicht lange nach der Aussiedlung konnte er eine Vertretungsprofessur an der Marburger Universität wahrnehmen und ein Jahr danach eine Planstelle im damaligen Südostdeutschen Kulturwerk (SOKW), dem Vorgängerverein des IKGS, besetzen.

Peter Motzan, der dieser Institution von 1992 bis 2011 angehörte, hat durch seine fast zwei Jahrzehnte währende Tätigkeit wesentlich zu deren wissenschaftlichen Profilierung beigetragen, ihre Anbindung an die Ludwig-Maximilians-Universität München mit eingeleitet und zu ihrer überregionalen Wahrnehmung im In- und Ausland beigetragen. Die zahlreichen oft sehr umfangreichen Bücher, die in der Zeit seiner Wirksamkeit im IKGS veröffentlicht worden sind – mitunter sechs bis acht Publikationen im Jahr – und die alljährlich viermal regel- und planmäßig erscheinenden Spiegelungen, die er zeitweilig mitherausgab und für deren anspruchsvollen Rezensionsteil er verantwortlich zeichnete, haben entscheidend zum Prestige des IKGS beigetragen. Für das institutseigene Periodikum verfasste er selbst zahlreiche Beiträge, redigierte die angeworbenen und trug Sorge dafür, dass die Zeitschrift in der kleinen wie großen Szene Beachtung fand. Er organisierte federführend Tagungen, moderierte gekonnt und witzig Lesungen mit Schriftstellern aus Südosteuropa, bot Lehrveranstaltungen in München und oft auch an dem vom IKGS betreuten Klausenburger Stiftungslehrstuhl an, beriet Studenten und Doktoranden bei ihren Arbeiten.

All dies tat er neben seiner Tätigkeit als produktiver und geschätzter Forscher, der gehaltvolle, erkenntnisreiche und sprachlich hervorragend formulierte Aufsätze publizierte. Die eigene Buchproduktion hatte dabei stets absolute Priorität, ein Wissenschaftler legitimierte sich in seinen Augen nicht durch die Ämter, die er bekleidete – solche hat er nie angestrebt –, sondern, wie er immer wieder zu betonen pflegte, allein durch sein „Werk“, d.h. durch die Anzahl von qualitativ hochwertigen Büchern und Studien. Im Jahre 2003 zeichnete die Klausenburger Universität den zwischenzeitlich zum Stellvertretenden Direktor des Münchner IKGS avancierten Forscher mit einer Ehrenprofessur aus, 2011 erhielt er den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis.

Dass im IKGS gegen Ende seiner Dienstzeit mit der Aufarbeitung der über rumäniendeutsche Schriftsteller und Kulturschaffende gehorteten Akten des rumänischen kommunistischen Geheimdienstes begonnen wurde, die seit 2006 für die Forschung freigegeben worden sind, hat ihn mit großer Genugtuung erfüllt, gehörte er doch selbst zu den intensiv beobachteten und ausgespähten Literaten. Im Zeitraum 1971-1989 haben über Peter Motzan, der nach außen hin ein gesellschaftlich und politisch angepasstes, hauptsächlich auf seinen Beruf orientiertes Leben führte und niemals öffentlich gegen das Regime aufbegehrte, sage und schreibe 32 sogenannte „informatori“, nach hiesigem Sprachgebrauch Informelle Mitarbeiter (IM), über, wie er später schreiben sollte, sein „ereignisarmes Dasein ‚referiert‘“. Nicht weniger als acht Securitate-Offiziere haben sich mit „seinem Fall“ beschäftigt. Es wurde ihm vorgeworfen, er orientiere sich in seinen Lehrveranstaltungen und Veröffentlichungen an ‚westlichen‘ literaturwissenschaftlichen Betrachtungsweisen, beurteile sprachliche Kunstwerke nach rein ästhetischen Kriterien, lehne sozialistisch-parteiliche Literatur ab und fördere vor allem die damals jungen Autoren, die sozial-kritisch eingestellt waren und gegen das kommunistische Regime anschrieben.

Über die Beschäftigung mit der eigenen Akte hinaus war und ist Peter Motzan einer der hartnäckigsten Befürworter der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den vom rumänischen kommunistischen Geheimdienst gehorteten Materialien. Als akkreditierter Forscher der Bukarester Gauck-Behörde CNSAS (Consiliul Național pentru Studierea Arhivelor Securității) hat er Einblick auch in die oft seltsamen Hinterlassenschaften anderer rumäniendeutscher Autoren nehmen dürfen. Hierbei konnte er feststellen, dass die deutsche Minderheit in Rumänien vor 1989 nicht nur intensiv und kontinuierlich im Fokus geheimdienstlicher Aktivitäten gestanden hatte, sondern auch von Securitate-Zuträgern, meist aus den eigenen Reihen, durchseucht gewesen ist. Um die Öffentlichkeit über Struktur, Methoden und Wirkungsweisen des kommunistischen Unterdrückungsapparates zu unterrichten, animierte er mehrere rumäniendeutsche Schriftstellerkollegen zur Einsicht ihrer Unterlagen und regte die Veranstaltung von wissenschaftlichen Symposien zu diesem Themenkreis mit an. Diese Tagungen, vor allem jene, die in München (Dezember 2009) und Jena (September 2010) organisiert wurden, stießen auf ein breites Interesse beim Publikum, wurden nicht nur von der regionalen Minderheitenpresse kommentiert, auch die großen deutschsprachigen Tages- und Wochenblätter (FAZ, Süddeutsche Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, die ZEIT, der Spiegel u.a.) schenkten ihnen Beachtung. Dem IKGS verschafften sie mediale Aufmerksamkeit und eine Publizität, die es bis dahin nicht gekannt hatte. Die Forschungsergebnisse dieser Tagungen liegen mittlerweile in mehreren Veröffentlichungen vor, wurden kompetent auch in der Siebenbürgischen Zeitung rezensiert, die die Auseinandersetzung mit diesem Thema stets interessiert und sachlich begleitete.

Was während einer in der Geschichte wohl einmaligen geheimdienstlichen Verschriftungswut in diesen Akten seinen Niederschlag gefunden hat sowie die Fülle an zeitgenössischen und literaturgeschichtlichen Informationen, die diese Dokumentationen beinhalten, haben den Forscher von Anfang an fasziniert. Eigene Betroffenheit und wissenschaftliche Neugierde werden dafür Sorge tragen, dass sich Peter Motzan hinfort – dienstlichen Obliegenheiten nun enthoben – gezielter und nachhaltiger diesen Konvoluten zuwenden wird, um mehr über die Epoche, in der er gelebt hat, zu erfahren, und Licht in ein düsteres Kapitel unserer neueren Geschichte zu bringen.

Zurzeit widmet er sein Hauptaugenmerk jedoch einem weiteren Projekt. Aus seinem großen Vorrat an literaturgeschichtlichen Studien hat er eine strenge Auswahl getroffen, die er in den Band Die Szenerien des Randes aufgenommen hat, der im Regensburger Pustet Verlag im Laufe dieses Jahres erscheinen wird. Die Beiträge, die bereits veröffentlicht worden sind – zum Teil an unterschiedlichen und entlegenen Publikationsorten –, hat Peter Motzan wesentlich erweitert, aktualisiert und über weite Strecken umgeschrieben. Neben Beiträgen über seine südostdeutschen Lieblingsautoren Alfred Margul-Sperber (1898-1967) und Oscar Walter Cisek (1897-1966), über den Literatur- und Sprachwissenschaftler Karl Kurt Klein (1897-1971) und den donauschwäbischen Erzähler Johannes Weidenheim (1918-2002) umfasst das Buch auch Aufsätze über bislang kaum beachtete Periodika der rumäniendeutschen Literaturszene der Zwischenkriegszeit (Czernowitzer Tageblatt, Kulturnachrichten aus Rumänien) sowie über die bekannte deutschsprachige Bukarester Zeitschrift Neue Literatur (1949-1989), zu deren eifrigsten und einflussreichsten Mitarbeitern Peter Motzan in den 1970er und 1980er Jahren gehörte. Herausragend in dieser Aufsatzsammlung ist ein literaturtheoretischer Beitrag, an dem Peter Motzan über mehrere Jahre gearbeitet und nun auf den neuesten Stand der Forschung gebracht hat. Es handelt sich um, wie er es nennt, ein „kompilatorisches Beschreibungsmodell“ für die rumäniendeutsche Literatur des 20. Jahrhunderts, das für jeden, der sich in irgendeiner Weise mit der Erforschung und der Darstellung dieses Phänomens befasst, richtungsweisend sein kann. Nicht alle Theorien und Methoden, die in den letzten Jahrzehnten in der allgemeinen literarischen Exegese entworfen bzw. angewandt worden sind – so eine der Grundthesen in Motzans Aufsatz –, können undifferenziert für die regionale Literaturgeschichtsschreibung übernommen und fruchtbar gemacht werden. Literaturforschung hat nach Motzans Auffassung möglichst nah am „Material“, an den „Quellen“ und „Fakten“ zu erfolgen, der Literaturhistoriker sollte weniger auf Thesenfreudigkeit als auf eine umfassende Quellenbasis setzen, oder, um eines seiner weiteren Bonmots zu bemühen, jeder „Spekulation“ muss eine eingehende „Dokumentation“ vorausgehen. Fehlende Fachkenntnisse lassen sich seiner Meinung nach nicht durch Wortakrobatik und Forschheit ersetzen. Der Exeget, dessen Hauptaufgabe es ist, dem Leser, die Literatur näher zu bringen und „zu erklären“, sollte dies durch analytische Kraft und sprachliche Eleganz tun. Klarheit, Anmut und Lebendigkeit im Ausdruck sind anzustreben, von nichtssagenden Phrasen, verqueren und geschraubten Wendungen sollte jedoch Abstand gehalten werden, sie täuschen „Bedeutsamkeit“ und „Wissenschaftlichkeit“ bloß vor.

In den fünf Jahren, seit Peter Motzan nun seine Zelte in München abgebrochen hat, hat er immer wieder die Erfahrung machen können, dass Rentnerruhe zwar fein ist, aber doch nicht von Dauer sein kann. Ob Günter Blöcker nach seinem 70. Geburtstag tatsächlich nichts mehr geschrieben und veröffentlicht hat, ist mir nicht bekannt. Fakt aber ist, dass er danach noch mehr als zwei Jahrzehnte gelebt hat und im Alter von 93 Jahren verstorben ist. Sollte Peter Motzan eine ähnlich lange Lebenszeit und weiterhin ein halbwegs robustes körperliches wie geistiges Wohlbefinden beschieden sein, stünden ihm noch mehr als zwanzig Jahre zur Verfügung. Das ist mehr als er jeweils an seinen beiden Berufsstationen Klausenburg bzw. München verbringen durfte.
Ad multos annos!

Stefan Sienerth

Schlagwörter: Kultur, Germanistik, Literaturwissenschaftler, Motzan

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