23. Mai 2016

Abschied von Käthe Paulini

Käthe Paulini, die ehemalige Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, ist am 3. Mai überraschend im kanadischen Kitchener, Ontario, Kanada im Alter von 83 Jahren gestorben. Um sie trauern die Familie, die Freunde, und mit ihnen die Siebenbürger Sachsen in Kanada und in der weltweiten Föderation. Beim Trauergottesdienst in der St.-Pilgrim-Kirche in Kitchener hatte sich am 6. Mai eine große Trauergemeinde versammelt, um Abschied von einer hervorragenden Persönlichkeit unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft zu nehmen. Den Trauergottesdienst zelebrierte Pfarrer Enzo Pellini. Bundesvorsitzender John Werner würdigte die Verstorbene und ihre Verdienste mit bewegten Worten. Abschiedsworte sprachen auch Tochter Heidi Tavares, Enkeltochter Kolina Tavares und Ehemann Michael Paulini. Der Trauergottesdienst wurde musikalisch von Sologesang und Gesang des Transylvania-Chores umrahmt. Bei der Beisetzung auf dem St.-Peter's-Friedhof in Kitchener wurde auch ein Kranz des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland niedergelegt.
Katharina Paulini wurde am 7. Juni 1932 in Großschogen im Nösnerland geboren, wo sie auch ihre Kindheit verbrachte. Der August 1944 bedeutete, wie für viele siebenbürgisch-sächsischen Familien, einen Wendepunkt im Leben der Familie Wolf. Der Vater war im Militäreinsatz im Krieg, Käthe, ihr älterer Bruder Hans und ihre Mutter wurden evakuiert und gelangten mit dem Treck in den Bezirk Kaplitz (heute Kaplice) in Südböhmen, wo sie den Winter 1944/45 verbrachten. Bei Kriegsende wurden sie in ein Lager verbracht, in dem sie bis Herbst 1945 festgehalten wurden und dann nach Großschogen zurück mussten. Zu Hause fanden sie ihr Heim von fremden Menschen bewohnt und mussten mit dem Keller vorlieb nehmen. Aus Sorge vor der Verschleppung in sowjetische Arbeitslager nutzten sie die sich nächst bietende Gelegenheit, nach Österreich auszuweichen, wohin auch der Vater aus russischer Gefangenschaft entlassen wurde. Österreich war nicht sehr gastfreundlich zu den sächsischen Flüchtlingen, daher strebten die Wolfs die Auswanderung nach Kanada an, die ihnen 1951 nach Kitchener, Ontario ermöglicht wurde. In Kitchener begegneten sich Käthe und Michael Paulini, der schon seit 1948, zusammen mit seinem Bruder, dorthin gelangt war und als Farmarbeiter gearbeitet hatte.

Am 31. Januar 1953 heirateten die beiden und begannen ein gemeinsames Leben unter nicht immer einfachen Bedingungen aufzubauen. Michael fand Arbeit in einer Fleischfabrik, Käthe arbeitete neun Jahre in einer Hemdenfabrik, bis sie ein Motel aufmachten und dieses fünf Jahre betrieben. Danach arbeitete Käthe 25 Jahre in der Immobilienbranche. Der Ehe entsprossen zwei Töchter, Ingrid und Heidi. Es war ein harter Schicksalsschlag für die Familie, als Ingrid als junge Frau mit 28 Jahren erkrankte und verstarb. Die Heirat von Heidi mit Luis Tavares und die Geburt zweier Enkeltöchter, Kolina und Kelsey, brachte wieder Freude und Zuversicht in die Familie. Jedoch bereitete der frühe Tod des Schwiegersohnes wieder neuen Kummer. Käthe und Michael kümmerten sich und unterstützten die vaterlose Familie mit Liebe und viel persönlichem Einsatz.

Neben all ihren privaten und beruflichen Verpflichtungen haben sich die Paulinis aber von Anfang an dem Gemeinschaftsleben der sich in der Fremde zusammenfindenden Landsleuten beteiligt und initiativ mitgewirkt.
Käthe Paulini, prägende Persönlichkeit der ...
Käthe Paulini, prägende Persönlichkeit der siebenbürgischen Landsmannschaft in Kanada
Sie waren 1951 Gründungsmitglieder des Transylvania Klubs und besonders Käthe hat sich immer mehr in selbstloser Weise in die landsmannschaftliche Arbeit eingebracht, begleitet und immer unterstützt von ihrem Mann Michael. Käthe wurde aktives Mitglied im Frauenverein und war von 1975 bis 1980 dessen Präsidentin. Gleichzeitig war sie ab 1978 Leiterin der Kulturgruppe. Sie wurde 1980 2. Vizepräsidentin und bald 1. Vizepräsidentin des Transylvania Klubs und behielt diese Position bis 1994. Käthe Paulini war 65 Jahre Mitglied im Transylvania-Chor, davon 25 Jahre dessen Präsidentin (1984-2009) und organisierte als solche mehrere Chorreisen nach Deutschland und Österreich. Im Frühlingskonzert des Chores am 9. April dieses Jahres hat sie noch mitgewirkt!

1978 wurde Käthe Paulini Mitglied im Bundesvorstand der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada und am 7. November 1987 in Nachfolge von Pfarrer Martin Intscher Bundesvorsitzende. Sie war damit die erste Frau, die eine derartige landsmannschaftliche Spitzenposition eingenommen hat. Während ihrer zehnjährigen Arbeit als Bundesvorsitzende war sie besonders bemüht, mit den drei siebenbürgisch-sächsischen Klubs in Kanada die Kontakte zu den Landsleuten und zwischen ihnen zu fördern und darüber hinaus auch eng mit den deutsch-kanadischen Vereinigungen zusammen zu arbeiten. In ihrer ruhigen, freundlichen, aber zielstrebigen Art hat sie zusammenführend, ausgleichend und motivierend gewirkt, was auch in schwierigen Zeiten zur Konsolidierung und Fortentwicklung der landsmannschaftlichen Arbeit in Kanada geführt hat.

Als Bundesvorsitzende widmete sie sich auch verstärkt der Zusammenarbeit mit dem Zentralverband der Siebenbürger Sachsen in den USA (ATS) und den Landsmannschaften bzw. Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich und, sobald möglich, auch mit den Demokratischen Forum der Siebenbürger Sachsen in Rumänien (DFDS). In der Föderation der Siebenbürger Sachsen war sie oft Motor für regen Kulturaustausch und einfallsreiche Organisatorin der turnusmäßigen Föderationsjugendlager in Kanada. An den Heimattagen in Dinkelsbühl nahm sie zusammen mit ihrem Mann Michael oft teil. Letztmalig hat sie den Heimattag in Dinkelsbühl im Jahre 2014 besucht und dort am 7. Juni ihren 82. Geburtstag gefeiert. Auch die Heimattage im oberösterreichischen Wels hat sie mehrfach besucht, wie auch die regelmäßig im Wechsel in Kanada und in den USA abgehaltenen Heimattage der Siebenbürger Sachsen von Nordamerika. Mit ihrem Mann zusammen organisierte sie drei Informationsreisen nach Siebenbürgen (1994, 1998, 2004), um so interessierten Landsleuten auch aus Übersee einen Besuch in der fernen alten Heimat zu ermöglichen. Auch nach ihrem Ausscheiden aus den Spitzenämtern der Landsmannschaft in Kanada blieb Frau Paulini in vielfältiger Weise für die Gemeinschaft tätig. So z. B. als Organisatorin und Mitwirkende von Veranstaltungen, in der Kulturarbeit und als Pressereferentin der Landsmannschaft. Sie war stets ein „kanadischer“ Botschafter zu den internationalen sächsischen Verbänden und zwischen den Menschen.

Neben ihrem landsmannschaftlichen Engagement waren Käthe und Misch Paulini auch ihrer Kirchengemeinde eng verbunden. Sie waren Mitbegründer und aktiv tätige Mitglieder der evangelisch-lutherischen Pilgrim-Gemeinde in Kitchener, deren Mitglieder mehrheitlich Siebenbürger Sachsen sind. Neben ihren offiziellen Verpflichtungen hat Käthe Paulini, unterstützt von ihrem Mann, stets auch den persönlichen Kontakt zu den Landsleuten, den Gästen und den Freunden der Siebenbürger Sachsen gepflegt. Im schmucken, in der Monterey Road in Kitchener gelegenen Häuschen der Familie waren viele zu Gast und wurden offen und freundlich aufgenommen. Wen wundert's, wenn sich aus diesen persönlichen Begegnungen Sympathien und dauerhafte persönliche Freundschaften entwickelten?

Die Familie Paulini war ihrer siebenbürgischen Herkunft immer verpflichtet, die Kinder und Enkelkinder waren hierbei immer mit eingebunden. Trotz schwieriger Anfangszeiten beim Aufbau einer Existenz in Kanada und manchem hartem Schicksalsschlag war die Familie stets gefestigt und beispielhaft für die Gemeinschaft geöffnet. Die Teilnahme an dieser Gemeinschaft geschah vielfältig, selbstverständlich und unabhängig von der jeweiligen Verpflichtung ehrenamtlicher Vorstandstätigkeit. In gleicher Weise war die Teilnahme und Mitarbeit in der Pilgrim-Gemeinde in Kitchener ein fester Bestandteil des Familienlebens und beispielgebend.

Nach dem Ausscheiden aus dem Amt als Bundesvorsitzende würdigte die Landsmannschaft in Kanada Frau Käthe Paulini mit einer ihr am 27.Juni 1999 vom nachfolgenden Bundesvorsitzenden John Werner überreichten Ehrenurkunde „für langjähriges und unermüdliches Wirken zur Erhaltung des Kulturgutes“. Am 23. Juni 2002 zeichnete der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft in Deutschland, Volker Dürr, Frau Paulini „für selbstlosen Einsatz für die Belange der Siebenbürger Sachsen in Kanada und innerhalb der Föderation der Siebenbürger Sachsen“ mit der Stephan-Ludwig-Roth-Medaille aus. Im April 2009 würdigte der Präsident des Transylvania-Klubs, Alfred Löwrick, Frau Paulinis Kulturschaffen mit einer Ehrenurkunde, der Transylvania-Chor Kitchener verlieh seiner scheidenden Präsidentin „für ihre 25-jährige hervorragende Tätigkeit als Chorpräsidentin“ die Ehrenmitgliedschaft. Ebenfalls im April 2009 sprach der Bürgermeister Carl J. Zehr für Rat und Bürgerschaft der Stadt Kitchener Käthe Paulini „für ihre 25 Jahre hervorragende Tätigkeit als Präsidentin des Transylvania Chores und für über 50-jährige aktive Mitwirkung in der Kulturpflege“ eine Anerkennung aus. Am 16. Mai 2009 verlieh der Deutsch-Kanadische Kongress Käthe Paulini den German-Canadian Heritage Award, einen Kulturpreis, der für besondere Verdienste um den Erhalt der deutschen Sprache und Kultur in Kanada verliehen wird.

Ein langes, erfülltes, von Arbeit und auch Schwierigkeiten begleitetes, aber von positiver Grundeinstellung geprägtes Leben ist zu Ende gegangen. Ein herzensguter Mensch und eine treue Siebenbürger Sächsin hat uns verlassen. Wir trauern mit der Familie und den Freunden um einen Menschen, der sich um unsere Gemeinschaft sehr verdient gemacht hat, der stets ein Vorbild für uns bleiben wird und den wir nicht vergessen werden. Dem Wunsch der Verstorbenen entsprechend, sollten anstelle von Blumen- oder Kranzspenden im Gedenken an Käthe Paulini für Schloss Horneck gespendet werden.

Dr. Wolfgang Bonfert

Schlagwörter: Verbandsleben, Kanada, Paulini, Nachruf, Landsmannschaft, Bundesvorsitzende

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Neueste Kommentare

  • 23.05.2016, 11:10 Uhr von bankban: Schöner, guter Artikel, danke. [weiter]

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