14. Oktober 2013

Konrad Gündisch im Unruhestand: Verabschiedung in Oldenburg und neue Aufgaben in München

Eigentlich hatte sich Konrad Gündisch das Erreichen des Pensionsalters etwas anders vorgestellt: Nach seinem Ausscheiden als stellvertretender Direktor des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) in Oldenburg wollte er sich insbesondere der Edition siebenbürgischer Urkunden und lange zurückgestellten eigenen Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte widmen. Nun ist ihm mit der kommissarischen Leitung des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) in München unverhofft eine neue Aufgabe erwachsen, die seine Energie in den kommenden Jahren in Beschlag nehmen dürfte.
Zwanzig Jahre lang hat Konrad Gündisch am BKGE gewirkt, einer Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums (BMI), seit 1998 des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Der Arbeit des BKGE hat er mit einer gesunden Mischung aus Kompetenz, Spontaneität, zupackender Art, Beharrlichkeit und Konsequenz seinen Stempel aufgeprägt. Konrad Gündischs umfassendes historisches Wissen geht in Zeit und Raum weit über seinen engeren Schwerpunktbereich, die mittelalterliche Vergangenheit Südosteuropas, hinaus. Es hat ihm im BKGE auch in kniffligen Fragen ein Urteilsvermögen verliehen, das seine Oldenburger Kolleg/innen und die Mitarbeiter/innen des aufsichtführenden Referats beim BKM gleichermaßen zu schätzen wussten. Sein Verständnis von Politikberatung bewegte sich stets in einem konstruktiven Spannungsverhältnis von Loyalität und der festen Überzeugung, dass eine solche Beratung sinnvoller Weise nur auf der Grundlage wissenschaftlicher Integrität und Unabhängigkeit erfolgen kann. Diese Überzeugung wusste Konrad Gündisch gelegentlich mit allem ihm eigenen Nachdruck und mit Offenheit zu vertreten.
Letzter Arbeitstag für Dr. Konrad Gündisch in ...
Letzter Arbeitstag für Dr. Konrad Gündisch in seinem fast schon leergeräumten Arbeitszimmer am Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. Foto: Konrad Klein
Als Freund und langjähriger Kollege im Fachbereich Geschichte des BKGE habe ich seine humanistische Bildung, seine große Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem und seine Fairness immer bewundert. Konrad Gündisch ist ein Mensch, der sich seines Wissens und Könnens durchaus bewusst ist, aber dennoch mit beiden Beinen in der Realität steht. Gegenüber jedem Zeitgenossen tritt er geradlinig, verbindlich und doch bescheiden auf. Mit bewundernswerter Energie hat er gerade in den letzten Dienstjahren im BKGE eine Fülle von Terminen und Aufgaben wahrgenommen. Staatsminister Bernd Neumann begleitete er etwa auf offiziellen Reisen nach Siebenbürgen und nach Fünfkirchen/Pécs. Zum 800-Jahr-Jubiläum der Deutschordens-Niederlassung im Burzenland organisierte er nicht nur eine internationale wissenschaftliche Tagung in Kronstadt, sondern bewährte sich als virtuoser Reiseleiter auf einer spannenden Tour quer durch das östliche Europa – von der preußischen Marienburg/Małbork bis zum siebenbürgischen Marienburg! Wenige Wochen vor Konrad Gündischs Pensionierung ist nicht nur der Sammelband jener Deutschordenstagung erschienen, sondern als epochales Grundlagenwerk ein gewichtiger Führer zu Quellenbeständen in ungarischen Komitatsarchiven. Zum Kulturhauptstadtjahr 2013 haben wir gemeinsam eine Kleine Geschichte des ostslowakischen Kaschau/Košice auf den Weg gebracht und mit Erfolg an unterschiedlichen Orten präsentiert. Bei diesem Buch konnten wir uns sehr gut ergänzen – Konrad, der Mittelalter-Fachmann mit Ungarisch-Kenntnissen, ich als Neuzeithistoriker mit westslawischer sprachlicher Ausrichtung.

Auf Tagungen ist Konrad Gündisch ein gern gesehener Vortragender, der seine Zuhörer zu fesseln und begeistern vermag. Weit weniger bekannt als seine zahlreichen Verdienste um die siebenbürgische Landesgeschichte – sie hier alle aufzuzählen hieße in diesem Kreise Eulen nach Athen zu tragen! – ist sein Beitrag zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlern. Als ihm die Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg die Ehrenprofessur verlieh, nahm er diese Auszeichnung zum Anlass, alljährlich im Sommersemester ein Blockseminar am dortigen Institut für deutsche Studien anzubieten. An der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg hielt er Semester für Semester Seminare, mit denen er das Lehrangebot der mittelalterlichen Geschichte um osteuropäische Akzente erweiterte. Diese Seminare behandelten neben siebenbürgischen Themen etwa auch Fragen der Herrschaftsgeschichte (Luxemburger), der Ordensgeschichte (Deutscher Orden, Zisterzienser) und der Sozialgeschichte. Dabei ist es ihm gelungen, den mentalen Horizont mancher nordwestdeutscher Studierender zu erweitern, für die das östliche Europa bis dahin weitgehend eine Terra Incognita gewesen war. Von besonderer Nachhaltigkeit ist das von Konrad Gündisch in Kooperation zwischen dem BKGE und dem George-Barițiu-Geschichtsinstitut der Rumänischen Akademie im Rahmen eines EU-Förderprogramms geschaffene Samuel-von-Brukenthal-Stipendium, das ab 2010/2011 sechs hervorragenden Nachwuchswissenschaftlern, die von einer Jury aus einem Bewerberkreis ausgewählt wurden, durch eine mehrmonatige Förderung Forschungen zu spezifischen Themen der Kultur und Geschichte der Deutschen in Rumänien ermöglicht hat.

Vor zwei Jahren hatte ich Gelegenheit, im Anschluss an eine gemeinsam besuchte kulturwissenschaftliche Tagung in Bukarest mit Konrad Gündisch eine kleine Rundfahrt durch Siebenbürgen zu unternehmen. Mit seinen Erläuterungen und der Auswahl markanter Orte hat er mir damals eine neue Welt erschlossen. Vom Ratturm in Hermannstadt aus erläuterte er mir eindrücklich die Entwicklung seiner Geburtsstadt und wies mich insbesondere auf die von dort oben sichtbaren Türme und Kuppeln der unterschiedlichen Gotteshäuser hin. Dieses Motiv und überhaupt der Panoramablick scheinen mir für Konrad Gündisch geradezu sinnbildlich zu sein: Sein Stolz auf die eigene siebenbürgisch-sächsische Herkunft hat ihn nie blind gemacht für andere Konfessionen und Religionen oder für die anderen in Siebenbürgen lebenden Ethnien – ganz im Gegenteil. Wer in diesem Umfeld sozialisiert worden ist und davon eine tolerante Grundhaltung abgeleitet hat, bringt mehr europäisches Denken mit als manch einer, der ständig das Wort „Europa“ im Mund führt, ohne dessen wahren Gehalt zu erfassen.

In Hermannstadt ist Konrad Gündisch im Jahre 1948 als eines von fünf Kindern des Historikerehepaares Gustav und Herta Gündisch zur Welt gekommen. Anders als seine Brüder entschieden sich seine Schwester und er nach dem Besuch der Brukenthalschule für ein Studium der Geschichte, das er in den Jahren 1966 bis 1971 in Klausenburg absolvierte. Die multikulturelle Atmosphäre der Stadt, die relative politische Tauwetterphase und die vielen fachlichen Anregungen, aber auch zahlreiche Freundschaften aus jener Zeit haben ihn bis heute geprägt. Im Anschluss an das Studium fand er am Akademie-Institut in Klausenburg seine erste Anstellung als Historiker. Besonders hervorzuheben sind aus dem umfangreichen Oeuvre seine Forschungen zum Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter, aber auch die von ihm geleiteten Quelleneditionen. Die Lebensumstände in Rumänien veranlassten ihn und seine Familie 1984 zur Aussiedlung in die Bundesrepublik. Dort arbeitete er zunächst 1985–1986 an der Forschungsstelle für Personalschriften in Marburg, von 1987 bis 1991 am Historischen Seminar der Universität Tübingen. Zwischen 1991 und 1993 wirkte er als Referent für transsilvanische Forschung am Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart und leitete zugleich die Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim, ehe er 1993–2013 am BKGE in Oldenburg tätig wurde. Dort haben ihn Freunde, Bekannte und Kollegen unlängst mit einem siebenbürgischen Symposium verabschiedet. In fachlicher und in menschlicher Hinsicht hinterlässt er in Oldenburg eine große Lücke. Für das Leben und die neuen Herausforderungen in der Großstadt München wünschen wir ihm von Herzen alles Gute. Ad multos annos!

Tobias Weger

Schlagwörter: Kultur, Gündisch, Historiker, BKM, IKGS

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Neueste Kommentare

  • 14.10.2013, 17:07 Uhr von bankban: Das IKGS wird wie auch das Oldenburger Institut vom Bund finanziert. Demnach sind deren Leiter ... [weiter]
  • 14.10.2013, 16:14 Uhr von getkiss: Als Unterschlupf hatte ich den IKGS eigentlich nicht gemeint, sondern als wissenschaftliche ... [weiter]
  • 14.10.2013, 15:49 Uhr von Äschilos: Die Fragen von getkiss stellen sich berechtigt, vor allem die bezüglich des IKGS. Zwei ... [weiter]

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