4. Oktober 2018

Ein Leben für die Gemeinde: Die sozial engagierte 88-jährige Neppendorferin Elisabeth Rosenauer

Als ich in den frühen Morgenstunden des letzten Julitages in der Seceră­toarelor Straße 48 bei Elisabeth Rosenauer klingelte, war sie schon lange wach. Die rüstige Seniorin hatte eine kleine Gehhilfe dabei, um mir zu öffnen. Wir hatten uns abgesprochen, dass ich sie besuchen würde, um die nötigen Informationen für diesen Beitrag in der Siebenbürgischen Zeitung zu erhalten. Ich muss gestehen, dass ich noch kaum eine so geistig fitte Frau in diesem hohen Alter angetroffen habe. Auch Haus und Hof wirken gepflegt.
Das Licht der Welt erblickte Elisabeth am 26. Mai 1930 als älteste Tochter des bekannten Steinmetzmeisters Martin Fleischer und dessen Gattin Elisabeth, geborene Schenn, deren Vater ein geschätzter Müllermeister in Neppendorf war. In ihrem Elternhaus, Hausnummer 907, in unmittelbarer Nähe zum Neppendorfer Bahnhof, verbrachte Elisabeth mit der jüngeren Schwester Johanna und den beiden Brüdern Robert und Helmut eine wunderschöne Kindheit, an die sie sich immer gerne erinnert. Hier im Geburtsort besuchte sie auch den Kindergarten und die ersten vier Volksschul- klassen, war gut befreundet mit meiner Schwester Sara, die elfjährig viel zu früh an der damals unheilbaren Diphterie im Jahr 1941 verstarb. Nach der Grundschule besuchte Elisabeth die nächsten vier Jahre das Evangelische Mädchengymnasium in Hermannstadt. Nun konnte der berufliche Werdegang starten.

In den Jahren 1947 und 1948 arbeitete sie im Vermessungsbüro von Ing. Drotleff. 1949 bis 1958 war Elisabeth beim Bauunternehmen SOVROM-Construcții angestellt.

Eine wunderbare Zeit ihres Arbeitslebens verbrachte sie in der Zeitspanne 1958 bis 1970 beim Sportverein Voința. Elisabeth war zuständig für den gesamten Innenbereich des Vereins, für Ordnung und Sauberkeit wie auch für die gesamte Sportbekleidung. Hier lernte ich Listante auch besser kennen, da ich in jenen Jahren aktiver Handballspieler war. Die Rumänen nannten sie respektvoll „tanti Lizi“. Listante war für uns alle eine absolute Respektsperson. Bei diesem Sportverein lernte sie auch ihren späteren Ehegatten, den Mediascher Richard Rosenauer, kennen, ein Urenkel des Theologen, Schulmannes und Politikers Stephan Ludwig Roth aus der Revolutionszeit von 1848. 1964 wurde geheiratet. Die Ehe blieb leider kinderlos.
Die jahrzehntelang im Gemeindeleben aktive ...
Die jahrzehntelang im Gemeindeleben aktive Neppendorferin Elisabeth Rosenauer mit dem Verfasser des Artikels, Helmut Leonbacher. Foto: Renate Köber
Von 1970 bis 1975 übernahm das Ehepaar Rosenauer das wichtige Amt eines Hüttenwarts auf der Crinț im Zibinsgebirge. Hier lernten sie viele Menschen kennen und genossen die saubere Gebirgsluft, auch wenn der Alltag oft aufwendig und stressig war. Nach dieser Zeit im Zibinsgebirge folgte der letzte Arbeitsplatz der Rosenauers beim Forschungsinstitut ICEMENERG, dessen Hauptsitz sich in Bukarest befand. Von 1976 bis 1985, also bis zum Renteneintritt, arbeiteten Elisabeth und Richard für dieses bekannte Forschungsinstitut mit seinen rund dreihundert Angestellten. Als bereits vor der Wende im Dezember 1989 immer mehr Landsleute in die Bundesrepublik Deutschland aussiedelten, war Elisabeth Rosenauer aktiv beteiligt. Sie half beim Besorgen der Visa für Deutschland und Österreich, beim Packen der Kisten und bei den Zollabfertigungen in Bukarest. Das Problem der eigenen Ausreise hat sich für die Rosenauers nie gestellt. Sie wollten ihre Heimat niemals verlassen, auch wenn zwei ihrer Geschwister, Johanna und Robert, mit ihren Familien nach Deutschland ausgereist waren. Ab 1990 fuhr Elisabeth Rosenauer fast wöchentlich mit dem Zug nach Bukarest, um Jahresvisa für Angehörige der drei Landlergemeinden zu erhalten. In dieser Zeitspanne gab es auch eine sehr rege Zusammenarbeit mit der Oberösterreichischen Landlerhilfe. Sie organisierte und leitete 18 Seniorengruppen nach Oberösterreich in die Orte Gosau, Weikersdorf und Gallneukirchen. Für unsere verbliebenen Landsleute eine aktive Hilfe und Stütze zu sein, war ihre Devise, also ein Leben für die Gemeinschaft.

Leider verstarb 2002 ihr geliebter Ehemann Richard. Frau Rosenauer setzte sich weiter mit Hingabe und viel Zeitaufwand für die verbliebenen Landsleute in Neppendorf ein, organisierte und leitete kirchliche Aufenthalte in Michelsberg und Wolkendorf. Auch in diesem Jahr verweilte sie mit einer Gruppe für eine Woche im burzenländischen Wolkendorf. Als 1993 das Ortsforum Neppendorf gegründet wurde, waren die Rosenauers aktiv beteiligt. Elisabeth Rosenauer übernahm das Amt der Vorsitzenden des Ortsforums im Jahr 1996 und behielt dieses Amt bis 2017, als sie aus Altersgründen zurücktrat.

Von 1991 bis 2007 gehörte Elisabeth Rosenauer der Gemeindevertretung unserer Kirche an und durfte somit der Neppendorfer Kirchengemeinde treue Dienste leisten. Frau Rosenauer ist auch aktives und ältestes Mitglied im kirchlichen Handarbeitskreis der Neppendorferinnen, der sich wöchentlich in der Evangelischen Akademie trifft.

2016 ging ein alter Traum in Erfüllung. Elisabeth Rosenauer richtete zusammen mit dem Kärntner Dr. Fornara im Frecker Sommerpalast des Barons von Brukenthal ein Museum für sächsische Volkskunst ein. Die meisten Exponate stammen aus ihrem Besitz. Am 26. Mai feierte Elisabeth Rosenauer ihren 88. Geburtstag mit ihren Neppendorfern in einer Pension in Urwegen.

Helmut Leonbacher

Schlagwörter: Neppendorf, Soziales, Gemeinde, Rosenauer, Leonbacher

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