17. Juli 2018

Petersdorf am Mühlbach – wie es einmal war

Petersdorf am Mühlbach im Jahre 1945 – das zeigt eine großformatige, von Hand gezeichnete Flurkarte, erstellt in mühevoller Kleinarbeit von Mathias Dengel, Heidenheim. Mit Akribie hat er in jahrelanger Recherche alle verfügbaren Details zusammengetragen und mit Unterstützung von Familie und Freunden dieses Dokument angefertigt.
Als ich zum ersten Mal vor der Karte stand, stürmten die Erinnerungen auf mich ein. Dort war in Kindheit und Jugend mein Zuhause gewesen! Vieles von dem, was ich dort einst geliebt, existiert heute nicht mehr. Doch nun konnte ich meinem Mann zeigen, wo ich einst gelebt hatte.

Als ich vier Jahre alt war, zogen meine Eltern mit mir und meiner kleinen Schwester nach Petersdorf zu den Großeltern, Karl und Luise Seiche. Im Elternhaus meines Vaters bin ich aufgewachsen, und der Mühlbach war mein ständiger Begleiter. Denn sein Wasser floss direkt vor unserem Haus vorbei. Der für die Papierfabrik künstlich angelegte Arm des Gebirgsbaches, der dem ganzen Tal und der benachbarten Stadt Mühlbach seinen Namen verliehen hat, zweigte als „Kanal“ oberhalb von Petersdorf an einem Stauwehr ab und speiste zu meiner Zeit noch die alte Holzschleiferei, das „Beiwerk“, wo ich im Sommer ausgiebigen Badespaß genießen konnte und mein Großvater mir das Schwimmen beibrachte. Das Wasser floss weiter durch die Papierfabrik, die es neben dem Haupttor verließ, um dann am Rande der Fabriksgasse unter vier Brücken hindurch Richtung Mühle abzubiegen. Die erste Brücke führte damals in die „Weiden“ und die anderen drei jeweils zu einem einzigen Haus. Es waren die Häuser der ehemaligen Werkführer der Petersdorfer Papierfabrik: Seiche, Haider, Büsch. Dies ist nachzulesen in dem „Heimatbuch Petersdorf“, herausgegeben von Mathias und Brigitte Dengel im Jahr 2002 im Auftrag der Heimatortsgemeinschaft Petersdorf. Doch nicht nur der vom „Fabriksbach“ zum „Mühlenbach“ werdende Arm des Mühlbachs floss durch den Ort. Eine Besonderheit war die „Mez“, deren Schreibweise nicht festgelegt ist, die aber für alle Petersdörfer einen feststehenden Begriff darstellt. Es ist die Bezeichnung für die Anfang des vorigen Jahrhunderts angelegten, gepflasterten Straßengräben, in denen meist zu beiden Seiten zwischen Fahrbahn und Gehweg das kristallklare Wasser des Mühlbachs floss, dem natürlichen Gefälle folgend. In der Hitze des Sommers spendeten sie kühles Nass, das gerne genutzt wurde, zum Beispiel zum Bewässern von Beeten, zum Besprengen der staubigen Straße oder einfach nur zum sommerlichen Vergnügen der Kinder. Würde ich heute Petersdorf besuchen, fände ich den Bach meiner Kindheit nicht mehr. Er wurde zugeschüttet, die Fabrik über Rohrleitungen mit Wasser versorgt. Aber wenn ich an Petersdorf denke, höre ich immer noch sein Rauschen, das mich so viele Jahre begleitet hat.
Das Haus von Karl und Luise Seiche in der ...
Das Haus von Karl und Luise Seiche in der Fabriksgasse (heute 1. Mai-Straße) unweit des Haupttores der Papierfabrik, 1965. Foto: Günther Seiche
Kopien der historischen Karte in Originalgröße (HöhexBreite, 163x107cm) können zum Selbstkostenpreis bei Mathias Dengel, Telefon: (07321) 51766, angefragt werden. Ein Exemplar wurde dem evangelischen Pfarrer von Petersdorf übergeben und kann vor Ort besichtigt werden. Beim Mühlbacher Treffen in Dinkelsbühl wurde eine Karte dem Bürgermeister von Mühlbach überreicht, eine befindet sich im Archiv der Siebenbürgischen Bibliothek auf Schloss Horneck in Gundelsheim.

Für diesen Text relevante Teile der Karte stehen für Leser der Siebenbürgischen Zeitung Online für den persönlichen Gebrauch zur Verfügung. Die beiden Bilddateien können weiter unten kostenlos heruntergeladen werden.

Dr. Jutta Weckermann

Hier können Sie die beiden Teile der Petersdorfer Karte herunterladen:

Kopfteil der Petersdorfer Karte (9,3 MB)

Ortskern von Petersdorf (10,5 MB)

Erläuterungen zu den beiden Teilen der Petersdorfer Karte

Für die Interpretation der Himmelsrichtungen ist der Kopfteil der Karte mit der Windrose wichtig. Um dem Kartennutzer eine bessere Orientierung zu bieten, überlappen sich die beiden Teile der Petersdorfer Karte. Das ist deutlich erkennbar an der Burg mit dem Friedhof und der evangelischen Kirche (in der Bilddatei „Kopfteil“ am unteren Rand, im „Ortskern“ im oberen Teil).
Zur Lage des Hauses von Karl und Luise Seiche auf der Karte von 1945: Es liegt an der "Fabriksgasse", die vom "Fabriksgelände" am südlichen Rand des Ausschnitts "Dorfkern" nach Norden führt, eine kurze Strecke am künstlichen Bachlauf entlang. Von diesem Teil der Straße gehen die vier Brücken ab, die im Text genannt sind. Bei der zweiten Brücke Richtung Norden ist das Haus des "Seiche Karl" namentlich gekennzeichnet, neben den Häusern der beiden anderen ehemaligen Werkführer "Haider" und "Büsch" in der im Text genannten Reihenfolge.

Schlagwörter: Petersdorf, Mühlbach, Karten

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