28. November 2004

"Lirertrun" oder "Lidertrun"?

Vor 30 Jahren – als auch die Reihe der "Stuttgarter Vorträge" entstand - kam das Trio Hans Seiwerth, Kurt Wagner und Karl Heinz Piringer (Charlie) zum ersten Mal zusammen; ein Jahr später machte Michael Gewölb aus der Truppe die Formation, die den Namen "Cibinium-Quartett" erhalten sollte. Seit 2002 gibt es das Quartett, das sich mittlerweile "De Lidertrun" nennt, wieder. Zur Krönung der beiden Jubiläen hatte die Landesgruppe Baden-Württemberg am 30. Oktober zu einem Festkonzert mit der "Lidertrun" im Stuttgarter "Haus der Heimat" geladen.
Siegfried Habicher stellte die ehemaligen Studenten und späteren Lehrer dem Publikum vor. Auf den gemeinsamen Beruf angesprochen, griff Hans Seiwerth einen von Michael Gewölb vor sich hin gemurmelten Einwurf augenzwinkernd auf, dass sie sich ebenso gut „Lirertrun“ hätten nennen können. Neben dem gemeinsamen Beruf zeigte Habicher auf, dass jeder der vier Vollblutmusiker in einer Hinsicht der Jüngste war. Charlie Piringer ist der Jüngste, was das Lebensalter angeht und die reife schauspielerische Leistung in jungen Jahren. Michael Gewölb schwang als Jüngster den Dirigentenstab bei der Blasia der Brukenthalschule. Hans Seiwerth war der jüngste Kulturmanager, als er 1974 zur Förderung der neu entstandenen Handballmannschaft der Studenten ein Konzert mit Ricky Dandel organisierte und künstlerisch gestaltete. Kurt Wagner war der Jüngste, als er Rumänien 1977 verließ, um in Deutschland den Beruf eines Gymnasiallehrers auszuüben.

Die Lidertrun während des Festkonzerts in Stuttgart. Foto: Siegfried Habicher
Die Lidertrun während des Festkonzerts in Stuttgart. Foto: Siegfried Habicher

Die Moderation des sehnlichst erwarteten Programms übernahmen dann die vier Musiker, die je einen Teil des Konzertprogramms bzw. der Instrumentenkunde für das Publikum aufbereiteten. Sie begannen mit „Ech geng än menes Vueters Guerten“, einem Lied, dem man sein Alter deutlich anhörte, da sein Rhythmus eindeutig Züge des Minnesangs aufwies. Die „Fuert än’t Elfenland“ war für alle, die sich für Volkskunde interessieren, von besonderer Bedeutung, da dieses Lied in der Art seiner Darbietung eine deutliche Ähnlichkeit mit keltisch-irischen Balladen aufwies. Es folgte das von Franz Xaver Dressler vertonte flämische „Ostfahrerlied“ sowie die Ballade „Ech schmiss zwo ädel Risen“. Nach diesem ersten Block erzählte Kurt Wagner, wie er gemeinsam mit Charlie anlässlich eines Praktikums im Brukenthalmuseum über die „Brandsch-Sammlung“ stolperte. Er stellte auch die nächsten Lieder zum Thema Liebe vor. „Et kam e jang Herr“ und „Ech gon af de Bräck“ erwiesen sich als äußerst traurige, melodiöse Balladen.

Den ersten Teil der Instrumentenkunde präsentierte Hans Seiwerth und ließ die Zuhörer in doppelter Hinsicht erstaunen: Sie bekamen die teilweise sehr exotischen Instrumente nicht nur zu hören, sondern auch ausführlich erläutert. Europaweite Verflechtungen bei der Instrumentenherstellung wurden deutlich, als Seiwerth erklärte, dass die Griffweise der rumänischen Hirtenflöte den irischen „tin whistlers“ entspricht. Ähnlichkeit mit irischem Liedgut hatte auch die beschwingte Ballade von „Honnes Moler“, die die Gefährlichkeit eines Techtelmechtels zwischen einer Dame von höherem Stand und einem Malermeister belegte. Das äußerst temporeiche „Rokenlied“, eines der ältesten sächsischen Lieder, das in neckischer Weise Ratschläge für Brautpaare gibt, geht wahrscheinlich auf die Zeit des ersten Einwandererstroms zurück. Dieses Lied bot auch die Gelegenheit, den Klang der Trompetengeige vorzuführen. Genauso temporeich war „Frachen, inijet Frachen“, das lustige Verhaltenstipps für eine Frau enthält, die sich darüber beklagt, dass ihr Mann sich so intensiv um das Federvieh der Nachbarschaft kümmert.

Nach dem zweiten Teil der Instrumentenkunde von Michael Gewölb kündigte dieser auch die nächsten beiden motivgleichen Lieder an: „Nachtigall“ und „Vijelchen“, beides sehr weiche und melodische Balladen. Viktor Kästners trauriges Lied „De Brokt um Alt“ rundete ein beeindruckendes und auf wundersame Weise alle Altersgruppen ansprechendes Konzert ab. Der lang anhaltende Beifall war so intensiv, dass das Quartett zwei Zugaben bringen musste. Die anschließenden Gespräche bei einem Imbiss und einem Glas Wein dauerten deutlich länger als sonst.

Traute Habicher

Schlagwörter: Lidertrun

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