6. April 2003

"Denkmaltopographie Schäßburg" wegweisend

Nach dem 1995 erschienenen Pilotband über zehn Orte des Kreises Kronstadt und dem band über die Altstadt von Hermannstadt liegt nun auch der zweisprachige Band „Stadt Schäßburg“ vor. Es ist ein weiterer Beitrag zur Veröffentlichung der Ergebnisse einer flächendeckenden Bestandsaufnahme des denkmalwerten Kulturgutes in den ehemals deutschen Siedlungsgebieten. Mit dieser Veröffentlichung wird in der siebenbürgischen Kunstgeschichte und Denkmalpflege Neuland betreten.
Denkmaltopographie Siebenbürgen – Topografia monumentelor din Transilvania, Stadt Schäßburg, herausgegeben von Christoph Machat, bearbeitet von Corina Popa mit Studenten der Kunstakademie Bukarest, Köln (i.e. Pulheim), Rheinland-Verlag 2002, 218 Seiten. 24,50 Euro, ISBN 3-7929-1858-8. (= Kulturdenkmäler Siebenbürgens, Band 4.)

Die "Denkmaltopographie Siebenbürgen" ist nach dem Vorbild der „Denkmäler im Rheinland“ konzipiert, ein Werk, das den derzeitigen Bestand der Denkmäler nach Art und Verteilung in seinen historischen und topographischen Zusammenhängen darstellt.
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In dem Band sind die Ergebnisse des von der deutschen Bundesregierung finanzierten Dokumentationsprojektes siebenbürgisch-sächsischer Kulturgüter festgehalten. Grundlage der Erfassung des Kulturgutes ist der moderne Denkmalbegriff, der von der überholten „elitären“ Tradition des Kunstdenkmals abweicht. Entscheidend ist nicht das künstlerisch-ästhetische Urteil, sondern die objektivierbare historische Bedeutung des Gegenstandes für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen und für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Das Baudenkmal ist die zahlenmäßig größte Denkmalgruppe. Zum Denkmalbereich gehören auch Stadtgrundrisse, Stadt-, Ortsbilder, Stadtteile bzw. –viertel, Siedlungen, Gehöftegruppen, Straßenzüge, bauliche Gesamtanlagen und Einzelbauten (Machat). Verschwundene Denkmäler werden nicht behandelt. So kommt es, dass im vorliegenden Band die Holzbrücken über die Kokel, die bis vor kurzer Zeit noch zum Stadtbild gehörten, nicht dargestellt werden. Die große Theresia-Brücke wurde erst 1975 von der großen Überschwemmung zerstört. In diese Kategorie gehört auch das Betonwehr, das bei der Kokelsystematisierung gesprengt wurde, sowie der hölzerne Aussichtsturm im Tannenwald, der nicht mehr steht.

Durch die Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO wurde die Altstadt von Schäßburg als eines der weltweit bedeutenden Kulturdenkmäler anerkannt, eine besondere Auszeichnung, aber auch Verpflichtung und Verantwortung. Die "Denkmaltopographie Schäßburg" erhält im Vergleich zu bisher erschienenen Publikationen die reichsten Informationen über diese Stadt. Auch gute Kenner der Stadt können noch überrascht werden. Wem ist schon bekannt, dass zur Festung auch ein Maurerturm gehört hat, der erst beim Bau des Internats (Alberthaus) abgetragen wurde? - Die Bildaussage gewinnt durch die prächtigen Luftaufnahmen von Dr. Georg Gerster an Bedeutung und trägt zur Ästhetik des Bandes entscheidend bei. Unter dem für den Laien nicht verständlichen Titel „Die Ortskartei Schäßburg“ wird die Charakterisierung des historischen Ortes durch eine minuziöse Auflistung aller signifikanten historischen Entdeckungen und archäologischen Funde durchgeführt. Zudem bietet eine Zeittafel von 1191 bis zur Gegenwart eine Übersicht (in Schlagworten) der Stadtgeschichte. Sehr ausführlich wird die städtebauliche Komposition und Entwicklung von Schäßburg dargestellt. Viele historische Stadtansichten (Veduten) dienen der Veranschaulichung.

Im Rahmen der Profanarchitektur werden in Unterkapiteln folgende Objekte angeführt: Wohnhäuser, Villen, Gemeinschaftsbauten, Hallen, Läden, Werkstätten, Banken, Bahnhof, Post, Hotels, Gasthäuser, Schulen, Veranstaltungsräume sowie Friedhöfe und Grünanlagen. Die Industriearchitektur schließt diesen Teil des Buches ab. Nach der detaillierten Beschreibung der Sakralbauten folgt die Darstellung der Verteidigungsanlagen. Schäßburg, in allen Landessprachen als Burg bezeichnet, hatte wohl von Anfang an eine militärische Bedeutung. Die Wehrarchitektur umfasst eine 930 m lange Wehrmauer mit 14 Verteidigungstürmen.

Interessant und originell ist der Teil des Bandes, der sich im Einzelnen mit den Bauten der Oberstadt und Unterstadt befasst. Die Einzeldenkmäler werden straßenweise nach dem Alphabet verzeichnet und in Wort und Bild dargestellt. Bei den Villen vermissen wir die Villa von William Leonhardt (Anton-Pann-Gasse) mit Park und Fielkische Villa mit Park im gleichen Stadtteil. Auch die ehemalige Kaserne, später Lehrerinnenbildungsanstalt, fehlt. Die Identifizierung der Häuser fiele bedeutend leichter, wenn nicht nur Straße und Hausnummer angegeben wären, sondern auch die vormaligen Eigentümer. Vor Einführung der Straßennamen und Hausnummern wurden die Häuser bekanntlich nach ihren Eigentümern benannt (z.B. das Hochische Haus, das Sternheimische etc.). Nach dem Grundbuch lassen sich die ehemaligen Besitzer leicht ermitteln. Es würde damit übrigens nochmals bewiesen, dass sich in Schäßburg der Hausbesitz fast ausschließlich in sächsischen Händen befand. Inkonsequent ist die Schreibweise des Stadtnamens, bald mit "ß", bald mit "ss". Der Band schließt mit einer Auswahlbiographie und einem (sehr nützlichen) Straßenverzeichnis, das allerdings nur die im Band erwähnten Straßen einschließt.

Mit der „Denkmaltopographie Schäßburg“ ist es dem Herausgeber und den Verfassern gelungen, ein ausgezeichnetes Werk in die Hände der Fachwissenschaftler und der heimatverbundenen Schäßburger zu legen. Dafür gebührt den Verantwortlichen Dank und Anerkennung!

Walter Roth



(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2003, Seite 6)



 Denkmaltopographie Siebenbürgen Band 4.1 Stadt Schäßburg
Christoph Machat
Denkmaltopographie Siebenbürgen Band 4.1 Stadt Schäßburg

Rheinland Verlag Köln

236 Seiten
EUR 24,00 (+ Versandkosten)
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