Aussiedler - deutsche Mitbürger oder ungebetene Eindringlinge?

Aussiedler kamen und kommen in erster Reihe nach Deutschland, weil sie als freie Deutsche unter freien Deutschen in einem demokratischen Rechtsstaat, in dem Menschenrechte garantiert sind, leben und am allgemeinen Wohlstand partizipieren wollen. Sie wollten und wollen endlich frei über ihr Leben, über ihre Zukunft entscheiden.

Der überdurchschnittlich hohe Wohlstand der meisten nach Deutschland - somit auch nach Bayern ausgesiedelten Siebenbürger Sachsen nach relativ kurzer Zeit ihres Hierseins hat seine wesentlichen Ursachen hauptsächlich in zwei voneinander nicht zu trennenden Gegebenheiten: 1. altbewährte Tugenden und 2. persönliche Freiheit.

  • Fleiß, Hartnäckigkeit, Sparsamkeit, Geradlinigkeit, Zuverlässigkeit, Loyalität gegenüber staatlichen und kirchlichen Behörden, Festhalten am christlichen Glauben, Toleranz, Durchsetzungsvermögen auch unter widrigsten Bedingungen, Mut und Bereitschaft zum Neuanfang (nach Wandervölker- und Türkeneinfällen sowie Kriegen in früheren Jahrhunderten, nach der Katastrophe von 1944/45 in Siebenbürgen, nach der Evakuierung, nach der Kriegsgefangenschaft, nach der Deportation 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, nach Aussiedlung nach Deutschland). Mit anderen Worten gesagt: Pioniergeist der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung.

  • All diese Eigenschaften und Tugenden sind auch hier in Bayern nach 1945 auf fruchtbaren Boden gefallen: auch die Siebenbürger Sachsen sind im Westen in eine Welt gelangt, deren Grundlagen Freiheit, Gewährung der ureigensten Menschenrechte und pluralistische parlamentarische Demokratie sind. Denn: Was nützen all die oben genannten Tugenden und Eigenschaften, wenn man in Unfreiheit und in ständiger Gefahr des nationalen Niedergangs, der nationalen Assimilierung leben muß?

Wie steht es um die Aufnahmebereitschaft gegenüber Aussiedlern?

Bis zum gewaltigen deutschland- und weltpolitischen Umbruch 1989/90 war die Aufnahme von deutschen Aussiedlern aus dem Osten kein gewichtiges politisches Thema in Deutschland. Das deutsche Wirtschaftswunder der 60er Jahre hatte u. a. bewirkt, dass ausländische Arbeitskräfte im Ausland sogar geworben wurden, während andererseits jährlich relativ wenige Aussiedler aus den östlichen kommunistischen Völkergefängnissen nach Deutschland ziehen durften (nach meist langen, risikoreichen Jahren des Wartens, des Hoffens, der Enttäuschungen, der Vorfreude, der Rückschläge, des harten, zermürbenden Ringens um die Aussiedlungsgenehmigung ...)

Seit Anfang der 90er Jahre ist in der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland eine andere Tendenz festzustellen. Eine nicht geringe Bevölkerungsschicht steht dem Zuzug von Aussiedlern ablehnend, manchmal sogar feindselig gegenüber. Der Satte weiß bekanntermaßen wenig vom Hunger des Armen. Wer alle Vorzüge der Freiheit genießen darf, hält die Freiheit für die selbstverständlichste Sache der Welt. Dies im Gegensatz zu denen, die aus der Unfreiheit kommen. Außerdem ist man in noch geringerem Maße gewillt zu teilen, wenn man außerdem selber den Gürtel enger schnallen muß.

Gegenwärtig scheint eine gewisse Beruhigung an der "Aussiedlerfront" eingekehrt zu sein, wir machen kaum negative Schlagzeilen und wir können nur hoffen, dass der wirtschaftliche Aufschwung ein übriges tun wird, um die Lage der Aussiedler, besonders der Neuankömmlinge zu verbessern.

Was erwartete die Aussiedler in Deutschland in den 70er und 80er Jahren?

Der hier angetroffene Reichtum, die Gefühlskälte vieler Bundesbürger, das "undeutsche" Wesen, die große Freizügigkeit in vielen Lebensbereichen, besonders jedoch die geringe Kenntnis der Situation der Aussiedler, meint die Journalistin Kerstin Möller, bringe viele Aussiedler aus dem Gleichgewicht, all das mache manche richtig krank. Schließlich kannten die Siebenbürger Sachsen die Bundesrepublik praktisch fast nur vom Hörensagen und nicht vom Westfernsehen, wie die meisten Deutschen aus der DDR. Die Ankunft am Flughafen Frankfurt am Main in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, später hauptsächlich am Hauptbahnhof Nürnberg, das Erschrecken über die vielen Farbigen, der ungewohnte Straßenverkehr, die Hektik, der Streß der Leistungsgesellschaft, die vielen Reklameschilder - plötzlich alle in deutscher Sprache! - die starke Fixierung der Menschen auf das Geld, das unermeßliche Warenangebot, der offene Schlagabtausch der Politiker im Parlament, die vielen kritischen Bemerkungen in der Öffentlichkeit und das Fehlen der Rücksichtnahme auf hochrangige Politiker aus der Staatsführung . . . alles war neu, ungewohnt, zunächst erdrückend, schwer verdaulich (Ich höre meine Mutter verwundert fragen: "Warum läßt man zu, dass der Bundeskanzler im Bundestag kritisiert wird?. . ."). Später dann die endlosen Behördengänge, der Kampf mit den komplizierten, sprachlich kaum oder sehr schwerverständlichen Formblättern. Kaum einer der Aussiedler hatte nämlich den riesigen Umfang von Behördenerledigungen vorausgesehen. Praktisch innerhalb weniger Wochen muß jedoch jeder hier seine Identität neu aufbauen: Personenstandsurkunden, Staatsangehörigkeitsdokumente, Personalausweis, Flüchtlingsausweis, Berufsqualifikation, Rentenanwartschaft, Hausratsentschädigung, Lastenausgleichsanträge und vieles andere mehr gehören dazu. Dabei ist besonders erschwerend, dass jeder dies praktisch ohne die geringste Kenntnis der hiesigen Gesetze und der sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten und ohne jede gesellschaftliche Einbindung tun muss. In ihrer Unerfahrenheit machen Aussiedler dabei natürlich auch Fehler und fühlen sich herabgesetzt, wenn sie korrigiert werden. Sie sind verunsichert und betrachten oft ihre Lage in den ersten Monaten als sozialen Abstieg. Allzuschnell machen manche ihre ersten schlimmen Erfahrungen, zum Beispiel mit Vertretern an der Haustür, unterzeichnen Verträge, die ihnen aufgeschwatzt werden, ohne sich über deren Ausmaß und Folgen bewußt zu sein. Oder sie kaufen mit ihren schlimmen Erfahrungen aus einem östlichen Land mit ständigen Versorgungsschwierigkeiten oft zu schnell und zu teuer, das Unnötige vor dem wirklich Notwendigsten. Auch damit stoßen sie oft bei der einheimischen Bevölkerung auf Kritik und Unverständnis, werden wegen ihres falschen Konsumverhaltens und besonders wegen ihres historisch bedingten stark ausgeprägten deutschen Nationalbewußtseins oft massiv abgelehnt, sogar als ewig Gestrige, ja sogar als Nazis apostrophiert - was besonders weh tut!

Der schwere Weg vom unmündigen Untertanen zum mündigen Bürger

Der Kampf um die Existenz, um eine Wohnung, um einen Arbeitsplatz - heute ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen - der "Kampf" mit uneinsichtigen Einheimischen, die einen als Fremden ansehen und entsprechend abqualifizieren, weil man hier mit seinem etwas härteren Deutsch auffällt, (obwohl die Einheimischen selber oft gar nicht merken, welch mundartgefärbtes, oft schwer verständliches Deutsch sie sprechen), der Kampf mit den Vorurteilen und der Ignoranz neiderfüllter Mitbürger, die meinten, den Aussiedlern würde alles vom deutschen Staat nachgeworfen - er musste bestanden werden. Oft stand den Aussiedlern ihre Schwerfälligkeit, ihre Engstirnigkeit, ihre Demutshaltung, ihre Obrigkeitstreue im Wege. Sie taten und tun sich z. T. schwer mit den hiesigen Verhältnissen, sie brauchen lange, bis sie demokratische Verhaltensregeln erfassen, lernen, anwenden. Kein Wunder. Ein Mensch, der immer nur als Untertan, als Befehlsempfänger eines übermächtigen diktatorischen Staates leben musste, hat es schwer mit der Demokratie, mit der lang ersehnten, im einzelnen dennoch recht unbekannten Freiheit. Politik war in Siebenbürgen nun mal etwas, das immer von oben kam. Einmischung, Protest, Widerspruch - das sind völlig neue Erfahrungen. Und diese Erfahrungen, sie müssen gemacht werden!

Von der überschaubaren siebenbürgischen Gemeinde in das deutsche Großstadtgetriebe

Eines der größten Probleme für die vielen Siebenbürger Sachsen, die in Großstädten wie Nürnberg oder München blieben, war außerdem die Verpflanzung vom überwiegend ländlichen, beschaulichen, langsamen Siebenbürgen zum hektischen, zeitabhängigen Deutschland, in die städtisch geprägte Industriegesellschaft, z. B. in den Großstadtraum Nürnberg oder den von München und - wohl das schlimmste Problem überhaupt - das Leben in der Diaspora, in der Zerstreuung. Diese eingeschworene, durch Jahrhunderte ausgeprägte Dorf- bzw. Kleinstadtgemeinschaft, sie war weg. Wahrlich eine harte Nuß, an der besonders die älteren Menschen schwer zu knacken haben. U-Bahn, Stadtsparkasse, Wohnungsamt, Volksfest, Ausgleichsamt, Einwohnermeldeamt, Kaufhof, Karstadt, Arbeitsamt, ... alles war neu. Neu und ungewohnt. Hinzu kommt das ständige Dilemma, als Deutscher und wegen des für Aussiedler wertvollen Deutschtums nach Deutschland gekommen zu sein, jedoch hier sehr oft als Ausländer, als "Rumäne", als "deutschstämmiger Rumäne" abqualifiziert zu werden.

Das unsichtbare Gepäck

Aber das ist nur die eine Seite der neuen Wirklichkeit, denn Aussiedler bringen auch gewichtige Stärken mit: Aussiedler sind anpassungsbereit, sie bejahen den deutschen Staat, die freiheitliche Demokratie, sie packen an, sie schaffen es, sie sind fleißig, zäh, zuverlässig. Beharrlichkeit zeichnet sie aus, sie sind keine Wirtschaftsflüchtlinge sondern Heimatsuchende, sie knüpfen ihr deutsches Bewußtsein nicht an das Dritte Reich (was man ihnen oft ankreidet), sondern an die Zeit lange davor bzw. an das demokratische freie Deutschland (West) nach dem Zweiten Weltkrieg. Extremismus und Diktatur - zu lange am eigenen Leib erlebt - mögen sie nicht. Deutschland war immer in ihrem Bewußtsein ihre Urheimat und geistig-kulturelle Heimat zugleich, ihre Hoffnung, ihre Zukunft, Aussiedler betrachten sich selber als Heimkehrer, als Spätheimkehrer, sie sind geschichts- und traditionsbewußt. Sie verstehen nicht, dass sich manche Bundesbürger schämen, Deutsche zu sein, dass für so viele Bundesbürger das Deutschsein lästig ist. "Für Aussiedler sind Begriffe wie Deutschtum, deutsches Volk, Muttersprache oder Heimat ideelle Grundwerte. Werte, für deren Erhaltung und Pflege es sich zu kämpfen lohnt und für die man bereit ist, Opfer zu bringen." (Dr. Michael Kroner) Aussiedler sind nicht übertrieben anspruchsvoll, sie sind sparsam - oft krankhaft sparsam - bringen die sprichwörtliche siebenbürgische Toleranz mit (sie haben mehr als 800 Jahre mit Ungarn, mit Rumänen, mit Zigeunern, mit Juden zusammengelebt, ohne jemals einen Krieg gegen eine dieser Bevölkerungsgruppen zu führen), sie bleiben auch in der Zerstreuung eine eingeschworene Gemeinschaft, ein Umstand, der nicht nur bei Heimattreffen feststellbar ist, sondern genau so auch bei Bestattungen von Landsleuten. Mobilität - auch und besonders berufliche Mobilität - hilft ihnen auch in Bayern, das Leben in der neuen städtischen Umgebung leichter zu gestalten. Natürlich klagt man beim ersten Zusammentreffen mit dieser ungewohnten Welt eventuell über die Hast und die Unrast und den Streß dieses neuen Lebens. Man vermutet darin den Verlust geistiger Werte mit dem Verlust der aus Siebenbürgen gewohnten seßhaften Kultur. Man erblickt darin oft Wurzellosigkeit und Entfremdung und fühlt sich anfangs wirklich unsicher und fremd. Aber diese Erscheinungen sind meist von kurzer Dauer und treten vermehrt eher bei den "älteren Semestern" auf.
Berufliche Erfolge, relativ schneller materieller Wohlstand, die Erkenntnis, dass man hier etwas erreichen kann, sofern man sich anstrengt, dass Leistung nicht nur gefordert sondern auch entsprechend ent- und belohnt wird, dass die Kinder hier eine Zukunft haben, all dies stärkt das Selbstvertrauen, stärkt das Selbstbewußtsein des einzelnen. Siebenbürger Sachsen - in Siebenbürgen mehrheitlich Bauern - sind heute in allen wirtschaftlichen Bereichen Bayerns zu finden: im industriellen Gewerbe, im Handwerk, im Bauwesen, im Handel, im Verkehrswesen, im vielfältigen staatlichen und städtischen Dienstleistungsbereich, im Schulwesen, im medizinischen Bereich usw. Das folgende ist überspitzt formuliert, stimmt jedoch im Kern: Die Messnerstellen in Bayerns evangelischen Kirchen beispielsweise sind fest in siebenbürger Hand!

Partizipation am deutschen Wohlstand

In den ersten Wochen nach der Übersiedlung besteht bei Aussiedlern ein erhöhter materieller Bedarf, besonders an Hausrat. Oft ist man über Hausrat- oder Möbelspenden hoch erfreut. Nicht wenige sind überrascht, was "die Deutschen" bei Entrümpelungen auf die Straße stellen. Bei dieser ersten Bekanntschaft mit der deutschen Wohlstands- genauer: Wegwerfgesellschaft staunt man, ist fast empört darüber, dass die Menschen hier "so wertvolle" Sachen einfach auf die Straße stellen. Kaum einer der in Deutschland eingetroffenen Siebenbürger Sachsen kann wohl behaupten, er habe anfangs nicht so manche Haushaltsgegenstände vor der Entrümpelung "gerettet". Dass die meisten Siebenbürger Sachsen Bauern waren bzw. von Bauern abstammen und ihre bäuerlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, ihre bäuerliche Mentalität innerhalb so kurzer Zeit nicht bzw. nicht restlos abgestreift haben, zeigt sich überall dort, wo Siebenbürger Sachsen inzwischen ihr eigenes Haus errichtet oder gekauft haben - und dies ist inzwischen schon in zig tausenden von Fällen in Bayern und dem gesamten Bundesgebiet geschehen... (Anmerkung: Dabei sind diese Eigenheime meistens auf der Grundlage einer breiten Eigenleistung in Form von tausenden von Arbeitsstunden auf dem eigenen "Bau" entstanden. Dass sich dabei die einzelnen Familienmitglieder gegenseitig geholfen haben, aber auch sonst Gemeinschaftsarbeit sehr hoch im Kurs stand und steht, braucht nicht extra erwähnt zu werden) - sowie dort, wo Siebenbürger Sachsen Schrebergärten oder sonstige schrebergartenähnliche Grundstücke erworben oder gepachtet haben. Prinzipiell schwören sie (zumindest zunächst) weniger oder kaum auf eintönigen grünen Rasen, auf meditterane Ziersträucher und Zierbäume mit zungenbrecherischen Namen, sondern setzen klipp und klar auf den Anbau von Salat, Erdbeeren, Zwiebeln, Gurken, Tomaten, Paprika, Karotten, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, Kirschen, Weichseln, ja sogar Trauben. Natürlich gibt es in diesen Gärten auch Rasenflächen, natürlich gibt es hier auch Zierstauden, Zierbäume oder Ziersträucher und Blumen, sogar sehr viele und verschiedenartige Blumen, aber nicht nur!

Gesellschaftliche Eingliederung

Aussiedler suchen auch im bayerischen Raum auf ähnliche Weise Kontakte, wie sie sie aus der siebenbürgischen Heimat kennen: wo sich Landsleute niedergelassen haben, da wollen auch die Neuangekommenen Wohn-, Arbeits- und Lebensraum finden. So kam es, dass im Laufe von knapp dreißig Jahren die Zahl der Siebenbürger Sachsen in Bayern auf derzeit weit über 100.000 gestiegen ist und Bayern der größte Siedlungsraum für Aussiedler aus Siebenbürgen wurde. Wie schon gesagt, kamen diese Siebenbürger Sachsen auch nach Bayern in eine völlig neue Welt: die hierzulande übliche Kleinfamilie, die vergleichsweise hohe Mobilität, der große Leistungsdruck im Arbeitsleben, aber auch die einem demokratischen Staat eigene Meinungsvielfalt sind ihnen zumeist fremd gewesen. Viele hatten beim Anblick der Titelseiten der Zeitungen, aber teilweise auch beim Verfolgen der Nachrichten in Rundfunk und Fernsehen zunächst den Eindruck, hier im Westen gäbe es nur Totschlag, Mord, Katastrophen, Sex und Kriminalität. Des weiteren verlockten ungewohnt volle Regale und eine Werbung, die "den Himmel auf Erden verspricht", manchmal zu Bestellungen, die sofort bereut wurden, hie und da nicht finanziert werden konnten und zu Überschuldung führten. Dies geschah z.B. im Bereich Möbelkauf oder wenn irgendein gerissener Vertreter einem irgendwelche Zeitschriften, Versicherungen oder sonstige Produkte schon an der Wohnungstür im Übergangsheim in der Kollwitz- oder in der Alfonsstraße andrehte. Schon allein deshalb erfordert die Eingliederung der Aussiedler auch von den entsprechenden Stellen - Aussiedlerberatungsstellen der Landsmannschaft, der Stadtmission, der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen - sowie von vielen Bundesbürgern viel Bereitschaft zur begleitenden Geduld und Behutsamkeit.

Kirchliche Eingliederung

Auf ihr christliches Gemeindeleben in Siebenbürgen lassen sich viele evangelische Aussiedler gerne ansprechen. Aber zwischen dem Gemeindeleben, das auch Siebenbürger Sachsen in ihrer siebenbürgischen Heimatgemeinde kennerlernten, und der Gemeindepraxis in den meisten Teilen der Bundesrepublik Deutschland gibt es manche Unterschiede:
  • In Siebenbürgen hat der Pfarrer ("Herr Vater") noch eine herausgehobene Stellung. Von daher leiten sich hohe Erwartungen z.B. an Auftreten und auch an die Kleidung der hiesigen Pfarrer oder ihrer Beauftragten auch bei Hausbesuchen ab. Welcher Siebenbürger Sachse hat sich nicht zumindest gewundert, wenn nicht sogar richtig geärgert, wenn ein Pfarrer in Deutschland z. B. Jeans-Kleidung - sogar in der Kirche! - trägt oder wenn er vom "Predigtstuhl" aus manche Wörter und Begriffe benützt, die für jeden aufrechten Sachsen tabu sind.

  • Der Gottesdienst ist für viele Siebenbürger Sachsen die eigentliche Versammlung der Gläubigen. Die in Deutschland häufig geringe Zahl von Gottesdienstbesuchern, die für Siebenbürger Sachsen zu schnell gesungenen Lieder und Äußerungen in der Predigt oder in kirchlichen Veröffentlichungen zur Tagespolitik, zur Umwelt oder zur Dritten Welt (diese Themen haben in Siebenbürgen kaum eine Rolle in der Kirche gespielt) irritieren und bringen anfangs so manchen ein wenig Durcheinander. Manche wenden sich im Extremfall von den neuen Gemeinden enttäuscht ab. Die Mehrheit jedoch gliedert sich besonders in den Kirchengemeinden sehr schnell ein. In zahlreichen Kirchengemeinden in Bayern bilden die Aussiedler aus Siebenbürgen eine nicht zu übersehende und nicht zu überhörende aktive Gruppe von Gläubigen. Inzwischen kandidieren Siebenbürger Sachsen in ihren Kirchengemeinden vermehrt für den Kirchenvorstand und werden gewählt.
Horst Göbbel / Nürnberg 2009