28. März 2024

Filmvorführung „Libertate“ in München: Wer waren die „Terroristen“ der Revolution in Hermannstadt?

Der Film „Libertate“ (Freiheit; Originalversion in rumänischer Sprache mit englischen Untertiteln) wurde am 18. März im Rahmen der Filmtage der Frankophonie auf einer der angesagtesten Bühnen Münchens, im Theatiner Filmtheater, bei ausverkauften Haus gezeigt.
Protagonisten der Filmvorführung und ...
Protagonisten der Filmvorführung und Podiumsdiskussion im Theatiner Filmtheater, von links nach rechts: Dr. Anneli U. Gabanyi, Dr. Bernd Fabritius, Generalkonsulin Miheia Diculescu-Blebea und Brigitte Drodtloff. Foto: Stefan Baumgarth
Angesichts des 35. Jahrestages der Rumänischen Revolution von 1989 beteiligte sich das Generalkonsulat von Rumänien in München mit der Filmvorführung und der anschließenden Podiumsdiskussion an den Frankophonen Tagen. Miheia Diculescu-Blebea, Generalkonsulin von Rumänien in München, begrüßte das Publikum und sagte: „35 Jahre nach der rumänischen Revolution wissen wir, dass der Kampf für Freiheit, Demokratie und Wahrheit weitergeht! Er muss als bewusste und akzeptierte Ablehnung von totalitären, manipulativen oder konspirativen Ideen verstanden werden.“

„Libertate“ thematisiert sehr eindrücklich und schonungslos die blutige Revolution im Wendejahr 1989. Der Film unter der Regie von Tudor Giurgiu wurde 2023 uraufgeführt und gewann den Preis der International Confederation of Art Cinemas. Vor der Vorführung in München wandte sich der Regisseur Tudor Giurgiu in einer Videobotschaft an das Publikum.

Schon in einem Interview mit Radio Europa Liberă (Radio Free Europe) hatte der Regisseur über seine umfangreichen Recherchen berichtet. Während der Revolution in Hermannstadt hatte jeder auf jeden geschossen: Armee, Miliz und Securitate. In Hermannstadt wurden zwei Millionen Kugeln abgefeuert, die allermeisten von der Armee. Die Miliz schoss mindestens einen Tag vorher, am 21. Dezember, als die Handlung im Film beginnt. Sie feuerte los, als die aufgebrachte Menge von der Miliz und der Securitate die Freilassung der Verhafteten forderte.

34 Jahre später stellte Tudor Giurgiu die unglaubliche Szene in seinem Film nach. An jenen Dezembertagen herrschte Chaos in Hermannstadt. „Li-ber-ta-te! Li-ber-ta-te!“ riefen die Menschen auf den Hermannstädter Straßen. Schüsse fielen. 99 Menschen starben. Mehrere hundert weitere wurden zu „Terroristen“ erklärt und über einen Monat lang in einem zu diesem Zweck geleerten Schwimmbecken der Militäreinheit UM 1512 festgehalten, berichtete die Hermannstädter Zeitung über die Filmpremiere am 28. September 2023 in Hermannstadt.

Der Spielfilm ist inspiriert von dem großen Geheimnis, das hinter den Ereignissen dieser dunklen Tage liegt, als der Sturz des kommunistischen Regimes zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Soldaten, Polizisten, zivilen Demonstranten und der Securitate, dem rumänischen Geheimdienst, führte und in einem beispiellosen Chaos endete. In einem Stil, den man als Doku-Drama bezeichnen könnte, verfolgt der Film die Kämpfe zwischen Kräften, die bis zum Vortag verbündet waren, um die kommunistische Ordnung und Legalität aufrechtzuerhalten, und die sich nun – durch Manipulation, Unerfahrenheit und Angst – in einen gewaltsamen Konflikt verwickelt sehen.

Dieser „Nebel des Krieges“ wird erschreckend authentisch wiedergegeben. In düsterer und beklemmender Atmosphäre wird der Zuschauer in die Welt der Protagonisten versetzt, die in einer von Angst und Lügen beherrschten Welt leben, so digi24.ro.

Während der Ermittlungen trafen die Terroristen auf die Staatsanwälte, die sie als ihre Freunde betrachteten. Die Staatsanwälte logen genauso wie die Terroristen und sprachen diese aufgrund ihrer Lügenaussagen frei. So ging „unser“ Securist unbehelligt nach Hause, auch wenn er vorher noch einmal verprügelt wurde.

Am Ende bleibt es dem Zuschauer überlassen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Ein seltsamer und trauriger Film, der mit den besten Absichten begann und mit so viel Verwirrung in unseren Köpfen endet. Wie die Geschichte der rumänischen Revolution – die weitergeht.
Prosowjetischer Staatsstreich? Dr. Anneli U. ...
Prosowjetischer Staatsstreich? Dr. Anneli U. Gabanyi (li.) hob wiederholt die Verstrickung Moskaus in die revolutionären Ereignisse von 1989 hervor. In der Mitte Moderatorin Brigitte Drodtloff, rechts Dr. Bernd Fabritius, der von seinen persönlichen Erfahrungen bei einer Reise im Januar 1990 in das rumänische Machtvakuum berichtete. Foto: Konrad Klein
Und damit das Publikum die bedrückende Geschichte gut einordnen kann, sprachen im Anschluss an die Filmvorführung im Theatiner Filmtheater drei ausgewiesene Rumänien-ExpertInnen miteinander und mit den Kinobesuchern: Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen, Ehrenvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, und Dr. Anneli Ute Gabanyi, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Brigitte Drodtloff, Drehbuchautorin, Regisseurin und Filmproduzentin. Sie schreibt in einem Facebook-Post: „Ein starker und aufwühlender Film, der von einer leidenschaftlichen und sehr informativen Gesprächsrunde gefolgt wurde.“

Doch das Chaos hatte System, sagte Dr. Anneli Ute Gabanyi. In Rumänien habe im Dezember 1989 ein revolutionärer Staatsstreich stattgefunden, „im Zuge dessen der Diktator verhaftet, in einem summarischen Schauprozess abgeurteilt und hingerichtet wurde“. Vorausgegangen sei ein Aufstand der Bevölkerung, den die Architekten des Staatsstreichs – Ceauşescu-feindliche und sowjetfreundliche Eliten aus Partei, Armee und Geheimdiensten – provoziert und danach für ihre Zwecke nutzbar gemacht hätten. „In Hermannstadt wurde ein Szenario durchgespielt, das ursprünglich für ganz Rumänien vorgesehen war – ein Bürgerkrieg, in dem sich die Armee und die Geheimdienste gegenseitig bekämpften“, sagte die Politologin. Anders als im gesamten Land sei es nur in Hermannstadt (und Umgebung) zu Kämpfen zwischen Soldaten einerseits und Vertretern des Geheimdienstes und der Polizei andererseits gekommen, provoziert durch mysteriöse Kämpfer, die aus dem Hinterhalt Schüsse auf die protestierende Bevölkerung abgaben. Nach der Machtübernahme am 22. Dezember durch Generäle, die vor 1989 wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Militärgeheimdienst GRU in die Reserve versetzt worden waren, habe die Armee sich den Geheimdienst unterstellt und dessen Mitarbeiter als angebliche Unterstützer Ceaușescus verfolgt. Vor diesem Hintergrund seien die Verhaftung der als „Terroristen“ bezeichneten Angehörigen der Geheimdienste und ihre unmenschliche Behandlung in dem ominösen Schwimmbecken zu sehen. Wiederholt wies Gabanyi dabei auch auf die Verstrickung Moskaus in die revolutionären Ereignisse in Rumänien hin. Sie bedauerte, dass diese Zusammenhänge, die von der Forschung weitgehend aufgeklärt wurden, im Film im Dunkeln blieben.

Dr. Bernd Fabritius berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen während einer Reise in das rumänische Machtvakuum im Januar 1990. Den Film bewertete er als „realistisch“, auch wenn er keinen dokumentarischen Anspruch erhebe, gerade weil er „nur Verwirrung und Unklarheit zurücklasse“. „Was der Film zeigt und was sich in den Wochen wohl so zugetragen haben dürfte, ist ernüchternd und hat mit Rechtsstaatlichkeit gar nichts zu tun.“ Fabritius zeigte sich gleichwohl „froh und erleichtert, dass der Film gerade nicht heroisiert oder von dem ‚ruhmreichen Volk‘ erzählt, sondern auch Menschen zeigt, die in aller Fehlbarkeit während des Staatsstreiches Täter blieben oder im neuen Machtvakuum zu Tätern wurden.“ Die Wunden, die damals aufgerissen wurden, seien noch nicht verheilt: „Noch immer wissen wir nicht, wer die eigentlichen Täter waren.“

Bezüglich der im Film verwendeten Sprache erklärte Konrad Klein, Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 2023, gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung: „Was die verwendete Sprache bzw. die Dialoge und Ausdrücke ganz allgemein betrifft, so ist sie an Authentizität und Deftigkeit schwer zu toppen. Und dass das Rumänische Weltklasse aufweist, ist ja auch kein Geheimnis. Die englischen Untertitel bemühen sich da dem (Securisten-)Sprech gerecht zu werden, aber viele farbige und sonstige sexistischen Ausdrücke sind schlicht unübersetzbar. Entsprechend suggestiv oft auch die Kameraführung. Insbesondere bei den in Panik Schutz suchenden oder auch vorwärtsstürmenden Menschen wird durch unscharfe und verwackelte Bilder eine ungeheure Wirkung erzeugt, so dass sich das Gewalttätige und die ganze Willkür und Undurchschaubarkeit der Ereignisse auf den Zuschauer überträgt.“

Eingedenk der umfangreichen Recherchen im Vorfeld weckt der Film hohe Erwartungen. Allerdings ist man aufgrund seiner bescheidenen und vermeidenden Haltung zu den Ereignissen enttäuscht. Es bleibt das Gefühl einer unvollständigen künstlerischen Vision seitens des Regieteams. Vage ausgedrückt, bleibt nach dem Verlassen des Kinos das verwirrende Gefühl zurück, die Botschaft des Films nicht ganz verstanden zu haben.

Ironischerweise wird der Film als ein neuer und notwendiger Blick auf die historischen Ereignisse dargestellt und verkauft! Diese Ereignisse sind immer noch von Geheimnissen und Zensur umhüllt und drohen nach mehr als 34 Jahren in Vergessenheit zu geraten. Aber der Film vermittelt keine klare Position, Meinung oder Botschaft und bietet auch keinen neuen Blickwinkel auf dieses kontroverse Thema! Eugen Istodor kritisierte in einem Aufsehen erregenden Beitrag auf Hotnews.ro: „Die Stimme der Securisten wurde seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gehört. Dieser Film lässt sie nun wieder zu Wort kommen.“ (Vocea securiștilor nu s-a auzit 30 și ceva de ani și filmul le dă cuvântul.“

Der Film „Libertate“ wurde mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro produziert. Es wurde viel Aufwand betrieben, einschließlich des Einsatzes von Militärfahrzeugen, Schießereien und über 110 Schauspielern. Bereits am ersten Wochenende sahen 15.000 zahlende Zuschauer den Film. Der Film ist auf Netflix für Abonnenten aus Rumänien verfügbar.

Robert Sonnleitner

Schlagwörter: Film, München, Hermannstadt, Revolution, Filmvorführung

Bewerten:

36 Bewertungen: +

Neueste Kommentare

  • 02.04.2024, 20:07 Uhr von schully: Immer wenn über "die Revolution" geschrieben wird, kann ich nicht anders, ich muss meinen Senf dazu ... [weiter]
  • 01.04.2024, 20:42 Uhr von Barwinsky: Seit einer Tramptour im Jahr 1987 hatte ich mich in Siebenbürgen unsterblich verliebt. Und suchte ... [weiter]
  • 29.03.2024, 19:42 Uhr von Gabanyi: Die Initiative von Ingenius Mobile will ich gerne Folge leisten. Wie ich schon sagte, bin ich ... [weiter]

Artikel wurde 7 mal kommentiert.

Alle Kommentare anzeigen.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.